In die Gegenwart investieren: Wie wir Schulen endlich ins digitale Zeitalter bringen!

Ein Kommentar von Magdalena Huber im Rahmen eines Praktikums bei Tim Pargent, MdL

 

„Ich möchte, dass jeder Schüler einen eigenen Computer hat“ sagte Markus Söder bereits 1999 als Vorsitzender der Jungen Union [1]. Davon ist Bayern unter Ministerpräsident Söder 22 Jahre später noch weit entfernt. Nicht zuletzt in der Corona-Zeit fiel auf, dass bayerische Schulen bei der Digitalisierung einiges verpasst haben. Um diese weiter voranzubringen haben Bund und Länder 2019 den DigitalPakt Schule beschlossen, ein fünf Milliarden Euro schweres Förderprogramm zur Digitalisierung deutscher Schulen. Bayern stehen 778 Millionen Euro zur Verfügung. Bis Anfang 2021 wurden nur 17% dieser Gelder beansprucht [2]. Ein Konzept zu deren Nutzung sollen die einzelnen Schulen nach Richtlinien des Freistaats selbst ausarbeiten. Nicht nur lässt man Schulen alleine, auch die Prioritäten dieser Richtlinie sind fragwürdig. So sieht sie weder IT-Hausmeister*innen, noch verpflichtende Fortbildungsangebote für Lehrkräfte vor [3].

Ein großes Problem ist auch das Fehlen von Geräten. In einer Studie des Verbandes bayerischer Wirtschaft (vbw) gaben nur 24% der befragten Lehrkräfte an weiterführenden Schulen an, es stehe an ihrer Schule ausreichend Ausstattung für digitales Lernen zur Verfügung. [4] Schullaptops oder -tablets für jede*n Schüler*in sieht die Richtlinie des Freistaats zur Verwendung der Gelder aus dem Förderprogramm dBIR jedoch nicht vor. Hier ist nur von schulgebundenen mobilen Endgeräten, die unter strengen Bedingungen genutzt werden sollten, sowie von Anzeige- und Interaktionsgeräten – also Beamern oder Dokumentenkameras – die Rede. Dass Beamer nicht zur Förderung digitaler Kompetenzen oder zum interaktiven Lernen beitragen und dass bayerische Bildungssystem in dieser Hinsicht nur marginal voranbringen, steht wohl außer Frage. Denn ob der Hefteintrag von einer Präsentation oder einer Tafelanschrift abgeschrieben wird, ändert vermutlich wenig am generellen Lerninhalt. Und auch Dokumentenkameras ähneln eher einem Overheadprojektor als einer modernen Lernhilfe. Mittelfristig sehe ich in unserer digitalisierten Welt keine Alternativen zu mobilen Endgeräten wie Schullaptops für alle Schüler*innen.

Selbstverständlich kann es in einigen Fächern sinnvoll sein, weiterhin analog zu arbeiten. Auch arbeiten einige Schüler*innen generell gerne mit Stift und Papier, weil es für ihr individuelles Lernen besser ist. Kommunikation und Zusammenarbeit, heißt es oft, dürften nicht verloren gehen.

Und das können sie auch weiterhin tun, denn ein digitaler Schulalltag schließt Analogie nicht prinzipiell aus. Der richtige Umgang mit digitalen Medien soll gelernt werden. Wie sie als Hilfsmittel und Ergänzung verwendet werden können. Ein digitalisiertes Bildungssystem, das heißt nicht, dass alle ständig vor dem Computer sitzen und nicht mehr miteinander reden. Hilfsmittel können Kommunikation erleichtern, die heute entweder über E-Mail läuft, wobei an vielen Schulen dafür Privataccounts genutzt werden müssen, oder einfach nicht stattfinden kann. Digitale Kommunikationsmöglichkeiten in einem schulischen Kontext könnten dabei helfen, mit einzelnen Schüler*innen zu kommunizieren, einfache Informationen, wie Arbeitsaufträge bei Vertretungen oder individuelle Nachfragen zu organisieren. Die gute alte Gruppenarbeit soll natürlich weiter sozial und interaktiv sein. Doch auch hier können digitale Medien unterstützen, ohne dadurch Nachteile mitzuführen. Wenn die Gruppenarbeit zum Beispiel ganz leicht mit allen Mitgliedern geteilt werden kann oder alle an der PowerPoint Präsentation zum Referat mitarbeiten können, anstatt dass ein*e Schüler*in Zuhause mit einem privaten Gerät alleine eine Präsentation erstellt, dann ist auch der Gruppenarbeit geholfen.

Ob die Hausaufgaben am Laptop oder handschriftlich angefertigt werden, das Buch als E-Book oder Taschenbuch und die Vokabeln digital oder aus dem Vokabelheft gelernt werden, kann trotz des Angebotes digitaler Lehrmittel jede*r Schüler*in selbst entscheiden. Veränderung braucht schließlich immer etwas Zeit. Einige müssen sich sicher erst an digitale Schule gewöhnen, aber hinsichtlich unserer sowieso zunehmend digitalisierten Gesellschaft können wir der Sache nicht mehr aus dem Weg gehen. 2021 sollte eine digitale Grundausbildung, sowie das Erlernen eines bewussten und kritischen Umgangs mit digitalen Medien fester Bestandteil im Unterrichtsalltag sein. Das fordert auch die Grüne Landtagsfraktion in ihrer Forderung nach einem Schulfach Digitalkunde [5].

Wie ein digitalisierter Schulalltag aussehen kann, sieht man am Beispiel Norwegen. Hier wird der Unterricht bereits seit vielen Jahren erfolgreich durch digitale Medien unterstützt. Jede*r Schüler*in verfügt über einen von der Schule gestellten Laptop. Lehrkräfte können seriöse, für Schüler*innen erstellte Lernplattformen und -angebote aus dem Internet in den Unterricht einbinden. Schulinterne Kommunikation zwischen Verwaltung, Lehrkräften und Schüler*innen ist über Microsoft Teams möglich. Wer jedoch besser aus analogen Büchern lernt, kann diese – zusätzlich zum digitalen Angebot auch physisch bekommen. In einigen Fächern, wie Mathematik wird zwischen digitalen Programmen und Rechnen mit Stift und Papier abgewechselt.

Finanziert werden die Geräte in Norwegen zur Hälfe aus öffentlichen Mitteln, zur anderen Hälfte von den Schüler*innen selbst [6], die allerdings Stipendien für Lehrmittel aus dem staatlichen Ausbildungsfond erhalten können [7]. Diese Art der Finanzierung ließe sich auch auf Bayern übertragen. Durch Vereinbarungen mit Anbietern könnte das Kultusministerium vergleichsweise kostengünstige, Schulalltagstaugliche Geräte zur Verfügung stellen, für die es zur Hälfte aufkommt. Das Geld aus dem DigitalPakt dafür zu verwenden wäre sicherlich sinnvoller, als Dokumentenkameras anzuschaffen, die spätestens in fünf Jahren sowieso für zu unmodern befunden und wieder abgeschafft werden. Schüler*innen, deren Familien nicht für den Eigenanteil aufkommen können, könnten außerdem Zuschüsse vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales erhalten, die bereits jetzt für Schulmaterialien zur Verfügung gestellt werden.

Deutschland gibt aber auch im internationalen Vergleich einen verhältnismäßig geringen Anteil am BIP von 4,3% für Bildung aus. Wir liegen damit 0,6 Prozentpunkte unter dem EU- und 0,9 Prozentpunkte unter dem OECD-Durchschnitt [8]. Wenn im Zuge der Digitalisierung mehr Geld für Bildung nötig wäre, könnte man diese auch höher priorisieren. Bildung sollte in einem der laut HDI am weitesten entwickelten Länder [9] nicht zu kurz kommen.

In Bayern haben wir die Ambition zukunftsorientiert und modern zu sein, unsere Kinder bestmöglich zu fördern und auf die Zukunft vorzubereiten. Egal was man von der Digitalisierung denkt, sie lässt sich nicht mehr aufhalten. Sich ihr zu verweigern ist schon lange keine Option mehr und je früher wir anfangen unser Schulsystem zu digitalisieren, desto besser werden Schüler*innen wie ich später mit digitalen Medien umgehen können. Und desto leichter wird es für uns, die Vorteile des Internets zu nutzen und die Gefahren zu erkennen. Bayern, das sich so gerne als Vorreiter präsentiert, muss in Sachen Digitalisierung nachziehen, um nicht zum Nachzügler zu werden.

 

Über die Autorin:

Magdalena Huber ist 17 Jahre alt, Schülerin in Bayern und hat nach einem Auslandsjahr in der 11. Klasse in Norwegen ein Praktikum in meinem Bayreuther Regionalbüro absolviert.

 

Quellenangaben:

[1]  (Gerl, 2021) Süddeutsche Zeitung „Darf man Söders Worten Vertrauen?“

[2] (Hensel & Wellenbrock, 2021) Redaktionsnetzwerk Deutschland

[3] (Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, 2019) Förderrichtlinie dBIR

[4] (Lohr, et al., 2021) Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw)

[5](Grüne Bayern, 2018) Positionspapier „Medien und Internet“

[6] (vtfk.no, 2020)

[7] (laanekassen, 2021)

[8] (OECD/UIS/Eurostat, 2017)

[9] (United Nations Development Programme, 2020) HDI

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