Wirecard-Skandal: Schauplatz Bayern

Der ehemalige Dax 30-Konzern Wirecard hat mutmaßlich über Jahre seine Bilanzen gefälscht und seine Dienste für Geldwäsche zur Verfügung gestellt. Angebliche Bankguthaben des Konzerns auf den Philippinen in Höhe von 1,9 Mrd. Euro existierten nicht – das entspricht fast einem Drittel der Bilanzsumme.

Investor*innen, darunter auch viele Kleinanleger*innen, droht nach der Wirecard-Insolvenz der Totalverlust. Der Wirecard-Vorstandsvorsitzende Markus Braun ist mittlerweile in Untersuchungshaft; sein Kollege Jan Marsalek ist auf der Flucht. Er soll beste Kontakte zu Geheimdiensten haben.

Das Gravierende: Seit spätestens 2015 gab es durch Journalist*innen der Financial Times, Analyst*innen und Whistleblower*innen immer wieder deutliche Hinweise auf Ungereimtheiten bei Wirecard. Trotzdem haben die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young (EY) jedes Jahr aufs Neue die Korrektheit der Bilanz bestätigt. Doch nicht nur die privaten Wirtschaftsprüfer haben versagt. Auch die staatlichen Aufsichtsstrukturen haben nicht funktioniert, wie die bisherige Aufklärungsarbeit zeigt.

Diverse Treffen zwischen Unternehmensvorständen und Regierungsvertreter*innen, sei es mit der Bundeskanzlerin in China oder dem Treffen in der bayerischen Staatskanzlei auf Initiative des ehemaligen bayerischen Polizeipräsidenten: offenbar hat die bayerische Staatsregierung Wirecard lieber als Vorzeige-FinTec hofiert, als den diversen Hinweisen auf Betrug, Manipulation und Geldwäsche nachzugehen.

1) Ermittlungen im Umfeld von Wirecard

Die Staatsanwaltschaft München I hat engagiert gegen möglichen Insider-Handel und Journalist*innen ermittelt. Dabei wurde offensichtlich Hinweisen auf tatsächliche kriminelle Vorgänge im Unternehmen nicht ausreichend nachgegangen. Vor Juni 2020 waren bereits 20 Anzeigen gegen Wirecard gestellt, und mehrere Geldwäsche-Verdachtsmeldungen bei Staatsanwaltschaft und dem LKA eingegangen.

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2) Geldwäsche-Aufsicht

Es ist unklar, ob Wirecard jemals unter einer Geldwäsche-Aufsicht fiel. Bisher scheint sich keineBehörde, weder im Bund noch in Bayern, für die Geldwäsche-Aufsicht bei Wirecard zuständig zu fühlen. Für Finanzunternehmen wäre die Bezirksregierung Niederbayern zuständig. Erst am 25. Juni 2020 wurde eine ad-hoc-Entscheidung zur Definition der Geschäfte der Wirecard AG durch das Bayerische Innenministerium getroffen. Diese Entscheidung erfolgte ohne intensive Prüfung und widerspricht der Einschätzung von Wirecard selbst, der zuständigen Bezirksregierung Niederbayern, EY und der Bafin. Der Verdacht liegt nahe, dass die Söder-Regierung aus Angst vor der politischen Verantwortungsübernahme einerseits jahrelang das Thema Geldwäscheaufsicht bei Wirecard vermied und sich dann nach öffentlichem Bekanntwerden schnell aus der Schlinge ziehen wollte.

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3) Lobby-Treffen zwischen Bayerischen Regierungsmitgliedern und Verantwortliche der Wirecard AG

Trotz diverser Ermittlungen, Presseberichte und Geldwäsche-Verdachtsmeldungen der eigenen Landesbank haben sich Minister*innen mit Vertretern der Wirecard AG getroffen und ausgetauscht. Besonders der Termin am 20.11.2019 auf Vermittlung von Ex-Polizeipräsident Köbler, eigentlich für Verbrechensbekämpfung zuständig, wirft Fragen auf.

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4) Sponsoring-Kooperation zwischen Wirecard und der Staatsregierung

Die Staatsregierung ist offensichtlich diverser Ermittlungen, Presseberichte und Geldwäsche-Verdachtsmeldungen der eigenen Landesbank zum Trotz, mit Wirecard zusammengearbeitet und dem Unternehmen die Möglichkeit gegeben, sich als vertraulichen Partner des Staates darzustellen. Dass diese Darstellung irreführend ist und Wirecard die Bürger*innen und den Staat hinters Licht geführt hat, zeigte sich schon einen Monat später.

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