Schriftliche Anfrage: Wirecard: Hinweise in Verfahren

Am 07.12.2020 befragte ich die Staatsregierung bezüglich der Hinweise in Verfahren im Fall Wirecard. Meine Fragen wurden am 05.02.2021 von dem Staatsministerium der Justiz auf der Grundlage von Auskünften der Staatsanwaltschaft München I beantwortet:

Meine Vorbemerkung:
Der Wirecard-Skandal beschäftigt auch den Freistaat Bayern. Im Zuge der aktuellen Aufklärungsarbeit werden komplexere Zusammenhänge bekannt, die dringend umfassendere Beleuchtung benötigen.

Ich frage die Staatsregierung:

1. Liegen der Staatsanwaltschaft München I Informationen darüber vor, dass das Unternehmen Mastercard möglicherweise Sanktionen gegen Wirecard wegen Verstößen gegen die US-Gesetze („Unlawful Internet Gambling Enforcement Act“) eingeleitet hatte (bitte unter Angabe des Datums jeweiliger Erkenntnisse ab 2008)?

Ab Anfang Februar 2010 gingen bei der Staatsanwaltschaft München I mehrere, teilweise wortgleiche Strafanzeigen ein. In den Strafanzeigen wurde der Tatvorwurf der Geldwäsche im Geschäftsbereich der Wirecard AG und der Wirecard Bank AG erhoben und angegeben, dass bei der Wirecard Bank AG eine Rechnung des Kreditkartenunternehmens Mastercard über eine Vertragsstrafe in Höhe von 16 Mio. Euro eingegangen sei.
Grund für die Vertragsstrafe sei der Vorwurf, dass im Rahmen von Kreditkartenzahlungen
bei Onlineglücksspiel in den USA unter maßgeblicher Beteiligung der Wirecard Bank AG gegenüber den Kreditkartenunternehmen unzutreffende Transaktionscodes verwendet worden seien, um so die beteiligten Kreditkartenunternehmen und die amerikanischen Behörden über den wahren Hintergrund der Transaktionen zu täuschen. Beispielsweise seien Einzahlungen von Teilnehmern am Glücksspiel gegenüber den Kreditkartenunternehmen mit Kodierungen versehen worden, wie sie bei Zahlungen für Wareneinkäufe verwendet werden (sog. Umkodieren). Ziel sei es, auf diese Weise US-amerikanische Restriktionen für das Onlineglücksspiel zu umgehen.
Auf die Beantwortung der Anfrage zum Plenum des Abgeordneten Dr. Martin Runge
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vom 19. Oktober 2020 betreffend „Fragen im Zusammenhang mit der Aufsicht über die Wirecard AG und mit einschlägigen Ermittlungs- und Strafverfolgungsmaßnahmen VII“ (Fragen 1, 2, 4 und 5; Drs. 18/10867) wird Bezug
genommen.

2. Welche Schritte wurden im Zuge der Erkenntnisse zu den Vorwürfen von Mastercard seitens der Staatsanwaltschaft München I eingeleitet (bitte angeben ab 2008 bis heute)?

3. Welche Erkenntnisse hat die Staatsanwaltschaft München I aus der Verfolgung dieser Erkenntnisse gezogen?

Auf Grundlage der ab Anfang Februar 2010 eingegangenen Strafanzeigen leitete die Staatsanwaltschaft München I ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wegen des Anfangsverdachts der Geldwäsche im Sinne von § 261 Strafgesetzbuch (StGB) im Geschäftsbereich der Wirecard AG und der Wirecard Bank AG ein. In der Folge veranlasste die Staatsanwaltschaft bis in das Jahr 2012 umfangreiche Ermittlungen, insbesondere eine große Anzahl an Zeugenvernehmungen, einen regelmäßigen Informationsaustausch mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und Abklärungen der US-amerikanischen Rechtslage zum Onlineglücksspiel. Zur Feststellung, ob die angezeigten Sachverhalte nach den maßgeblichen Vorschriften in den einzelnen hierfür
zuständigen US-Bundesstaaten Straftaten, insbesondere die unerlaubte Veranstaltung
eines Glücksspiels, und damit Vortaten im Sinne von § 261 StGB begründen, wurden gutachterliche Stellungnahmen eingeholt.
Im Rahmen der Ermittlungen wurde am 22. März 2011 auch ein Mitarbeiter von Mas
tercard als Zeuge vernommen. Gegenstand der Vernehmung war u. a. die Forderung einer Vertragsstrafe des Kreditkartenunternehmens gegen die Wirecard Bank AG und die Korrespondenz zwischen dem Kreditkartenunternehmen und der Wirecard Bank AG.
Letztlich konnte ein hinreichender Tatverdacht, insbesondere im Hinblick auf kon
krete, für die Strafbarkeit nach § 261 StGB erforderliche Vortaten und die subjektive Tatseite, nicht geführt werden. Die Staatsanwaltschaft München I hat daher das Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom 22. Februar 2012 nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.
Ergänzend wird auf die Beantwortung der Anfragen zum Plenum des Abgeordneten Dr. Martin Runge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vom 21. September 2020 betreffend „Fragen im Zusammenhang mit der Aufsicht über die Wirecard AG und mit einschlägigen Ermittlungs- und Strafverfolgungsmaßnahmen I und II“ (Frage 3 bei I, Frage 1 bei II; Drs. 18/10152) und vom 19. Oktober 2020 betreffend „Fragen im Zusammenhang mit der Aufsicht über die Wirecard AG und mit einschlägigen Ermittlungs- und Strafverfolgungsmaßnahmen VII“ (Fragen 1, 2, 4 und 5; Drs. 18/10867) Bezug genommen.

4. Falls die Vorwürfe von Mastercard gegenüber Wirecard nicht verfolgt wurden, mit welchem Grund?

Die Sachverhalte im Zusammenhang mit der Vertragsstrafe von Mastercard gegen die Wirecard Bank AG waren Gegenstand der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München I. Auf die Antwort zu den Fragen 2 und 3 wird Bezug genommen.

5. Wurde seitens der Staatsanwaltschaft Kontakt zu Mastercard zur Klärung des Sachverhalts aufgenommen (bitte angeben seit 2008)?

Auf die Antwort zu den Fragen 2 und 3 und die Beantwortung der Anfrage zum Plenum des Abgeordneten Dr. Martin Runge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vom 19. Oktober 2020 betreffend „Fragen im Zusammenhang mit der Aufsicht über die Wirecard AG und mit einschlägigen Ermittlungs- und Strafverfolgungsmaßnahmen VII“ (Fragen 4 und 5; Drs. 18/10867) wird Bezug genommen.

6. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung darüber, ob die damaligen Informationen der Vorwürfe von Mastercard in aktuellen Ermittlungen eine Rolle spielen?

Zu Einzelheiten der aktuellen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München I gegen Verantwortliche oder Mitarbeiter des Wirecard-Konzerns können keine näheren Angaben gemacht werden, um den Untersuchungszweck nicht zu gefährden oder zu beeinträchtigen.