Schriftliche Anfrage: Verwaltungsaufwand zur Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung

Am 26.01.2022 befragte ich die Staatsregierung bezüglich des Verwaltungsaufwand zur Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung. Meine Fragen wurden am 02.03.2022 von dem Staatsministerium der Finanzen und für Heimat beantwortet:

Meine Vorbemerkung:
Die auf Ebene der Gruppe der Zwanzig (G20-Ebene) beschlossene globale Mindestbesteuerung für Unternehmensgewinne (Minimum Taxation) muss im Laufe des Jahrs 2022 in nationales Recht umgesetzt werden und in die Praxis der Steuerverwaltung implementiert werden. Somit sind auch die Finanzbehörden der Länder involviert.

Vorbemerkung der Staatsregierung:
Die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft stellt die bisherigen internationalen
Steuerprinzipien vor große Herausforderungen. Das sog. Zwei-Säulen-Projekt der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) soll darauf zielführende und zukunftsweisende Antworten geben. Säule 1 umfasst die Neuverteilung von Besteuerungsrechten der größten und profitabelsten Konzerne der Welt.
Bei Säule 2 sollen durch die Einführung einer globalen effektiven Mindestbesteuerung
verbliebene Base Erosion and Profit Shifting-Risiken (BEPS-Risiken) adressiert sowie aggressiver Steuergestaltung und schädlichem Steuerwettbewerb entgegengewirkt werden, indem Staaten die Möglichkeit gegeben wird, auf die niedrigen Steuersätze anderer Staaten zu reagieren.
Am 01.07.2021 erfolgte eine internationale Grundsatzeinigung zum Zwei-Säulen-
Projekt auf OECD-Ebene. Am 08.10.2021 haben sich 137 Staaten auf verschiedene Ausgestaltungsmerkmale des Zwei-Säulen-Projekts sowie einen Implementierungsplan geeinigt, der die Umsetzung der Regelungen bis 2023 vorsieht. Zur einheitlichen Umsetzung der OECD-Ergebnisse in der EU hat die EU-Kommission am 22.12.2021 einen Richtlinienentwurf zur Einführung einer effektiven Mindestbesteuerung veröffentlicht, welcher derzeit verhandelt wird. Die genaue Ausgestaltung der Regelungen steht noch nicht fest. Entsprechend der im Grundgesetz geregelten Kompetenzverteilung werden die Verhandlungen auf internationaler Ebene durch das Bundesministerium der Finanzen (BMF) geführt.

Die Staatsregierung wird gefragt:

1.1 Welchen Mehraufwand erwartet die Staatsregierung für die Bayerischen Finanzbehörden durch die Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung?

1.2 Wie viele Arbeitskräfte werden durch die Reform in welchen Bereichen voraussichtlich erforderlich sein (Angabe bitte in Vollzeitäquivalenten VZÄ)?

1.3 Falls noch keine Plandaten vorliegen, wie plant die Staatsregierung, den erwarteten Personalbedarf zu berechnen (bitte einzelne Planungsschritte und jeweilig geplanten Zeitraum bis Ende 2022 angeben)?

Die Fragen 1.1, 1.2 und 1.3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Die Erörterungen des Richtlinienvorschlags der EU-Kommission zur Einführung einer
effektiven Mindestbesteuerung auf EU-Ebene haben im Januar 2022 begonnen und werden noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Mit der Richtlinie werden für die Mitgliedstaaten der EU die Eckpfeiler der konkreten Ausgestaltung der Regelungen gelegt, welche die Grundlage für die Umsetzung in das nationale Recht bilden. Erst auf Basis des endgültig beschlossenen Richtlinientexts können realistische Abschätzungen hinsichtlich des zu erwartenden Mehraufwands und der notwendigen Personalplanung erfolgen.

2.1 Gab es zu diesem Thema bereits einen Austausch zwischen der Bayerischen Staatsregierung und der Bundesregierung, auch auf Ebene der oberen Finanzbehörden?

2.2 Wenn ja, wann (bitte einzeln inkl. Datum angeben)?

2.3 Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Die Fragen 2.1, 2.2 und 2.3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Die Diskussionen auf OECD- und EU-Ebene zur Besteuerung der digitalisierten Wirt
schaft sind regelmäßig Thema in Sitzungen auf Bund-Länder-Ebene. Derzeit liegt der Fokus auf den Informationen des BMF über die von ihm geführten Richtlinienverhandlungen und die Erörterung von Änderungsanliegen zur globalen effektiven Mindestbesteuerung. In Zukunft werden in den Bund-Länder-Sitzungen auch vermehrt Diskussionen zu Fragen des Steuervollzugs und des Administrationsaufwands erwartet.

3.1 Welche nächsten Schritte plant die Staatsregierung auf Landes- und Bundesebene, um die Neuregelung der Mindestbesteuerung umzusetzen (bitte aktuellen Planungsstand und involvierte Ressorts angeben)?

Der Fokus liegt derzeit auf der Verhandlung des EU-Richtlinienentwurfs. Die Diskussionen, die in diesem Zusammenhang auf Bundesebene geführt werden, werden von der Staatsregierung eng begleitet. Nach Abschluss der Verhandlungen auf EU-Ebene folgt die Umsetzung in nationales Recht, welche nach dem Richtlinienentwurf bis Ende 2022 zu erfolgen hat.

3.2 Welche Unternehmensdaten benötigt die Staatsregierung bzw. die Finanzverwaltung, um die Auswahl der betroffenen Unternehmen vorzunehmen?

3.3 Liegen der Staatsregierung zum aktuellen Zeitpunkt alle benötigten Unternehmensdaten vor?

Die Fragen 3.2 und 3.3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Nach dem Richtlinienentwurf, welcher derzeit noch verhandelt wird, und der die
sem zugrundeliegenden OECD-Einigung sollen Unternehmen mit einem jährlichen Konzernumsatz von mindestens 750 Mio. Euro in den Anwendungsbereich der Regelungen zur effektiven Mindestbesteuerung fallen. Für Unternehmen, die diese Grenze
überschreiten, bestünde daher eine Steuererklärungspflicht zur Mindestbesteuerung.

Eine Option zur Auswahl von Unternehmen bezüglich der Anwendung der Mindest
besteuerung hätte die Finanzverwaltung folglich nicht.

4.1 Welchen Kontakt gab es in der aktuellen Legislaturperiode zwischen Mitgliedern der Staatsregierung (inkl. Arbeitsebene) und Vertreterinnen bzw. Vertretern von Unternehmen oder Verbänden, in dem eine mögliche Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung angesprochen wurde (bitte inkl. Angabe zu allen beteiligten Akteuren, Datum und Art des Kontakts und Ergebnis)?

4.2 Welchen Austausch gab es zwischen Angehörigen der Staatsregierung auf Bundesebene (= Bundesregierung, Bundesrat, Bundeszentralamt für Steuern, Mitgliedern des Bundestags etc.), in dem eine mögliche Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung angesprochen wurde (bitte inkl. Angabe zu allen beteiligten Akteuren, Datum und Art des Kontakts und Ergebnis)?

4.3 Welchen Austausch gab es zwischen Angehörigen der Staatsregierung und Vertretern der EU, in dem eine mögliche Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung angesprochen wurde (bitte inkl. Angabe zu allen beteiligten Akteuren, Datum und Art des Kontakts und Ergebnis)?

Die Fragen 4.1, 4.2 und 4.3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Die Ziele der geplanten globalen Reform der Unternehmensbesteuerung sind grund
sätzlich richtig. Es geht um die gerechtere Beteiligung von Marktstaaten am Steuersubstrat großer Unternehmen und das Austrocknen von Steueroasen. Auch die Wirtschaft in Deutschland steht dem grundsätzlich offen gegenüber. Wichtig ist, dass die im
vergangenen Jahr auf Ebene der G20/OECD vereinbarte Reform und die Umsetzung
in der EU keine Nachteile für den Binnenmarkt und die deutsche Wirtschaft bringt, das Steueraufkommen und die Ertragshoheit des deutschen Fiskus nicht gefährdet werden sowie missbräuchliche Steuergestaltungen und unfairer Steuerwettbewerb tatsächlich angegangen werden.
Bei Treffen der Staatsregierung auf Bundes- und Europaebene sowie mit Vertreterinnen
und Vertretern der Wirtschaft können immer auch steuerpolitische Fragestellungen von herausragender Bedeutung und Relevanz für Bayern Gegenstand der Gespräche sein. Hierzu zählt auch die auf Ebene der G20/OECD vereinbarte Reform der Unternehmensbesteuerung. Im Übrigen wird auch auf die Antwort zu den Fragen 2.1, 2.2 und 2.3 verwiesen.

5.1 Mit welchem steuerlichen Mehrertrag rechnet die Staatsregierung durch die Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung pro Jahr ab Umsetzung der Reform?

Laut OECD (Pressemitteilung vom 08.10.2021 – https://www.oecd.org/tax) kann weltweit mit zusätzlichen Steuereinnahmen von rund 150 Mrd. US-Dollar (USD) jährlich gerechnet werden. Konkrete Aussagen zu den finanziellen Auswirkungen auf den Freistaat Bayern können derzeit nicht getroffen werden.

5.2 Wie viele Unternehmen sind in Bayern von den Regelungen der globalen Mindestbesteuerung betroffen (Stand: Eingang der Anfrage)?

Von den Regelungen der globalen effektiven Mindestbesteuerung werden grundsätzlich sämtliche Unternehmen betroffen sein, die in den Anwendungsbereich der EU-Richtlinie fallen. Dabei ist zwischen zwei Fallgruppen zu unterscheiden: Die globale effektive Mindestbesteuerung wird sowohl für alle bayerischen Konzernmuttergesellschaften als auch für bayerische Tochtergesellschaften, deren Konzernmütter außerhalb Bayerns ansässig sind, greifen. Erkenntnisse über die Gesamtanzahl aller betroffenen Mutter- und Tochterunternehmen in Bayern liegen der Staatsregierung nicht vor.

5.3 Welche Kenntnisse liegen der Staatsregierung über Unternehmen mit Hauptsitz im Freistaat Bayern vor, die zum aktuellen Zeitpunkt Tochterunternehmen im Ausland haben (falls möglich, bitte Gesamtzahl der Unternehmen mit entsprechenden Auslandssitzen und den jeweiligen Ländern inkl. der dortigen Besteuerungshöhe für Unternehmensgewinne angeben)?

Die zunehmende Globalisierung führt dazu, dass nicht nur große Konzerne international agieren, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen Tochtergesellschaften im Ausland haben. Über die konkrete Anzahl an Unternehmen mit Hauptsitz im Freistaat Bayern, die auch über Tochterunternehmen im Ausland verfügen, liegen keine Erkenntnisse vor.

6.1 Sieht die Staatsregierung im Rahmen der aktuell geplanten Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung die Gefahr der Doppelbesteuerung für bayerische Unternehmen?

6.2 Wenn ja, wie viele Unternehmen könnten hiervon betroffen werden?

6.3 Wenn ja, welche Maßnahmen unternimmt die Staatsregierung dagegen?

Die Fragen 6.1, 6.2 und 6.3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet:
Die korrekte Einmalbesteuerung ist ein wesentliches Ziel des OECD-Konzepts, das
mit einer EU-Richtlinie europaweit einheitlich umgesetzt werden soll. Die laufenden technischen Arbeiten zu Säule 1 fokussieren sich derzeit u. a. auf Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Unter Säule 2 sollen Unternehmensgewinne grundsätzlich einmalig mit mindestens 15 Prozent besteuert werden.

7. Welche Veränderung erwartet die Staatsregierung durch die globale Mindestbesteuerung hinsichtlich der Wettbewerbsposition der bayerischen Wirtschaft?

Mit der Einführung einer globalen Mindestbesteuerung soll aggressiver Steuergestaltung sowie schädlichem Steuerwettbewerb entgegengewirkt werden. Dadurch wird im internationalen Bereich ein Level Playing Field erzeugt, das faire steuerliche Rahmenbedingungen für alle Akteure schaffen wird. Insoweit wird auch die Wettbewerbsposition der bayerischen Wirtschaft gestärkt.