Schriftliche Anfrage: Umgang mit Neuregelung der Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen

Am 21.09.2021 befragte ich die Staatsregierung bezüglich dem Umgang mit Neuregelung der Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen. Meine Fragen wurden am 12.10.2021 von dem Staatsministerium der Finanzen und für Heimat beantwortet:

Ich frage die Staatsregierung:

1.1 Wie gehen die bayerischen Finanzbehörden mit den Folgen des o. g. Urteils seit der Urteilsverkündung um?

1.3 Inwiefern werden Steuerpflichtige, die vom o. g. Urteil betroffen sind, z. B. weil sie auf Bescheide zu fälligen Steuernachzahlungen oder Stuererstattungen warten, von den bayerischen Finanzbehörden über das Urteil und dessen konkrete Auswirkungen auf ihren Fall informiert?

2.2 Wurde die Möglichkeit geprüft, den Steuerpflichtigen vorläufige Steuerbescheide zuzustellen, die die Höhe der Zinsnachforderungen vorerst ausspart?

2.3 Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Seit Veröffentlichung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts werden für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2019 anfallende Nachzahlungs- und Erstattungszinsen vorerst nicht mehr festgesetzt. Die Steuer- und Zinsbescheide sind mit entsprechenden Erläuterungen versehen. Dieses Verfahren wurde bundesweit abgestimmt (siehe hierzu das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) IV A 3 – S 0338/19/10004 vom 17.09.2021).

1.2 Welche Vorbereitungen hat die Staatsregierung in Antizipation des anstehenden Urteils getroffen?

Bis zur Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde das geltende Recht angewandt. Das Gericht urteilt unabhängig, ohne Zwischenstände oder Tendenzen anzugeben. Deshalb können Urteile kaum antizipiert werden, schon gar nicht im Detail.
Zinsfestsetzungen wurden allerdings aufgrund der Verfassungsbeschwerden bereits seit geraumer Zeit bundesweit nur mehr vorläufig vorgenommen (siehe BMF-Schreiben IV A 3-S 0338/18/10002 vom 02.05.2019). Darüber hinaus wurde auf Antrag in Rechtsbehelfsverfahren gegen Zinsfestsetzungen auch Aussetzung der Vollziehung gewährt (siehe BMF-Schreiben IV A 3-S 0465/18/10005-01 vom 14.06.2018 und 14.12.2018).

2.1 Wann rechnet die Staatsregierung damit, den betroffenen Steuerpflichtigen entsprechende Bescheide zu schicken, aufgrund derer die Betroffenen über das jeweilige Volumen der Zinszahlungen informiert werden?

Der genaue Zeitpunkt kann von der Staatsregierung nicht vorhergesehen werden. Es ist noch nicht absehbar, wann der Bundesgesetzgeber die Neuregelung trifft und wie diese Regelung inhaltlich gestaltet sein wird. Erst wenn diese feststeht, kann das Volumen der zu leistenden Zinszahlungen ermittelt werden.

3.1 Inwiefern steht die Staatsregierung hinsichtlich des weiteren Umgangs mit betroffenen Steuerpflichtigen im Austausch mit Behörden anderer Länder bzw. des Bundes?

Das Vorgehen wird auf Ebene der obersten Finanzbehörden von Bund und Ländern abgestimmt.

3.2 In welcher voraussichtlichen Höhe entstehen dem bayerischen Staatshaushalt durch die Neuregelung etwaige finanzielle Folgen (bitte unter Angabe aller betroffenen Steuerarten)?

Die finanziellen Auswirkungen sind nicht abzuschätzen, weil das Zinsaufkommen hoch volatil ist und bei der Ausgestaltung der neuen Zinsregelung ein weiter gesetzgeberischer Spielraum besteht.

4.1 Welchen Zinssatz befürwortet die Staatsregierung für die anstehende Neuregelung im Jahr 2022?

4.2 Hält die Staatsregierung für die Zukunft grundsätzlich einen flexiblen, an das Zinsumfeld angepassten Zinssatz für sinnvoll?

4.3 Wenn nein, weshalb nicht?

Die Staatsregierung befürwortet seit langem eine Absenkung des bundeseinheitlichen Zinssatzes nach § 238 Abgabenordnung (AO). In den letzten Jahren – zuletzt mit einer Bundesratsinitiative im Jahr 2018 – hat Bayern mehrere Anläufe unternommen, um eine deutliche Reduzierung zu erreichen und den jährlichen Zinssatz zu halbieren. Dementsprechend wird weiterhin eine Absenkung des Zinsniveaus auf höchstens 3 Prozent pro Jahr befürwortet.
Beim Einsatz eines flexiblen Zinssatzes können sich einige Probleme stellen. In den Steuerbescheiden könnte die Zinsberechnung auf Basis ständig wechselnder Zinsen den Bürgerinnen und Bürgern kaum verständlich und transparent dargelegt werden.
Dieses Problem verschärft sich bei Änderungsbescheiden, die regelmäßig mehrere Veranlagungs- und Zinszeiträume umfassen. Darüber hinaus und angesichts der Masse an Steuerfällen sowie deren Variabilität wäre eine solche Regelung äußerst verwaltungs- und programmieraufwendig.