Schriftliche Anfrage: Möglicher Missbrauch steuerfreier Zahlungen von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern zum Inflationsausgleich

Gemeinsam mit meinen Kolleg*innen Verena Osgyan und Florian Siekmann befragte ich am 09.11.2023 die Staatsregierung bezüglich des aktuellen Standes des möglicher Missbrauchs steuerfreier Zahlungen von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern zum Inflationsausgleich. Unsere Fragen wurden am 12.12.2023 von dem Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst beantwortet:

Unsere Vorbemerkung:
Nach Art. 3 Nr. 11c Einkommensteuergesetz können Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zusätzlich zum Arbeitslohn bis zum 31.12.2024 bis zu 3.000 Euro in Form von Zuschüssen und auch Sachbezügen an Beschäftigte auszahlen, wenn diese Auszahlungen die Inflation ausgleichen sollen.

Vorbemerkung des Ministeriums:
Gemäß § 3 Nr. 11c Einkommensteuergesetz (EStG) sind von der Arbeitgeberin bzw. vom Arbeitgeber in der Zeit vom 26. Oktober 2022 bis zum 31. Dezember 2024 zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährte Leistungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise bis zu einem Betrag von 3.000 Euro steuerfrei (sog.
Inflationsausgleichsprämie).
Mit der Einführung dieser Steuerbefreiung verfolgte der Bundesgesetzgeber das Ziel, allen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern die Möglichkeit zu geben, ihren Arbeitnehmerinnen uind Arbeitnehmern einen steuerfreien Betrag von bis zu 3.000 Euro zu gewähren und damit der Belastung der Bürgerinnen und Bürger durch die inflationsbedingte Erhöhung der Lebensunterhaltskosten zu begegnen. Aus der Befreiungsnorm des § 3 Nr. 11c EStG ergibt sich kein Anspruch auf Auszahlung der Prämie.

Die Staatsregierung wird gefragt:

1.a) In wie vielen Fällen haben Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in Bayern auf dieser Rechtsgrundlage bisher steuerfreie Zahlungen an ihre Beschäftigten geleistet?

1.b) In wie vielen Fällen haben Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber Sachbezüge geleistet?

Die Fragen 1 a und 1 b werden wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet.
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind gesetzlich nicht verpflichtet, der Finanzverwaltung die Gewährung einer nach § 3 Nr. 11c EStG steuerfreien Inflationsausgleichsprämie anzuzeigen. Insbesondere haben Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die Prämie nicht in der Lohnsteueranmeldung und in der Lohnsteuerbescheinigung auszuweisen.
Belastbare Zahlen, in wie vielen Fällen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie ausbezahlt oder als Sachbezug geleistet haben, liegen der Staatsregierung deshalb nicht vor.

2.a) Inwieweit berücksichtigt die Finanzverwaltung, dass die Steuerfreiheit nur dann greift, wenn die Zahlungen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gezahlt werden?

Stellt die Finanzverwaltung – beispielweise im Rahmen von Außenprüfungen – fest, dass die Arbeitgeberleistung nicht zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn im Sinne des § 8 Abs. 4 EStG erbracht worden ist und damit die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11c EStG nicht erfüllt sind, wird die Leistung als steuerpflichtiger Arbeitslohn behandelt.

2.b) Wie bewertet die Staatsregierung Fälle, in denen vereinbarte Zahlungen an Beschäftigte, die vor Einführung von Art. 3 Nr. 11c Einkommensteuergesetz vereinbart waren, nach der gesetzlichen Änderung als Inflationsausgleichprämie deklariert wurden?

Bei der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11c EStG kommt es nach bundeseinheitlich abgestimmter Rechtsauffassung nicht auf den Zeitpunkt des Beschlusses oder der Vereinbarung der inflationsbezogenen Prämie an. Dementsprechend kann die Steuerbefreiung auch für inflationsbezogene Leistungen, die bereits vor Inkrafttreten des § 3 Nr. 11c EStG beschlossen oder vereinbart wurden, aber erst nach dem 25. Oktober 2022 an die Arbeitnehmerin bzw. den Arbeitnehmer ausgezahlt werden, in Betracht kommen.
Für die Steuerfreiheit müssen die weiteren Voraussetzungen des § 3 Nr. 11c EStG gegeben sein, insbesondere muss die Leistung den geforderten Inflationsbezug von vornherein aufweisen. Die nachträgliche Umwandlung bzw. Umwidmung einer Leistung des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin ohne Inflationsbezug (z. B. Weihnachts- oder
Urlaubsgeld), auf die die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer bereits einen Anspruch hat, in eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie ist nicht zulässig.

3.a) Trifft es zu, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in Bayern Art.11 Nr. 11c EstG nutzen, um tarifvertragliche Leistungen steuer- und sozialabgabenfrei auszahlen zu können, wie das Magazin Der Spiegel online berichtet https://www.spiegel.de/wirtschaft/allianz-praemie-veraergert-mitarbeiter-a-0dab9f6c-ef40-4ae9-884d-fc49fdea5d30?

3.b) Wenn ja, wie viele Unternehmen haben diese Praxis angewandt oder es zumindest versucht?

Die Fragen 3 a und 3 b werden wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet.
Tarifvertragliche Leistungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise können unter den Voraussetzungen des § 3 Nr. 11c EStG steuer- und sozialversicherungsfrei sein. Insbesondere können tarifvertragliche Leistungen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden (§ 8 Abs. 4 Satz 2 EStG) und den geforderten
Inflationsbezug aufweisen.
Für die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11c EStG muss die tarifvertragliche Leistung den geforderten Inflationsbezug von vornherein aufweisen, d. h. ein tarifvertraglicher Anspruch ohne Inflationsbezug kann nicht nachträglich in einen Anspruch mit Inflationsbezug umgewandelt oder umgewidmet werden.
Belastbare Zahlen, in wie vielen Fällen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber tarifvertragliche Leistungen nach § 3 Nr. 11c EStG steuer- und sozialversicherungsfrei ausgezahlt haben, liegen der Staatsregierung nicht vor (vgl. Antwort zu Frage 1).

4.a) Gab es diesbezüglich Treffen oder Absprachen zwischen der Staatsregierung oder untergeordneten Behörden auf der einen und Vertretern von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern auf der anderen Seite, um die steuerlichen Möglichkeiten zu erörtern?

4.b) Wenn ja, mit wem?

4.c) Wenn ja, wann?

Die Fragen 4 a bis 4 c werden wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet.
Zwischen Arbeitgeberinnen bzw. Arbeitgebern und dem Staatsministerium der Finanzen und für Heimat, dem Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, dem Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie und dem Landesamt für Steuern als infrage kommenden Behörden fanden keine Treffen oder Absprachen zur
Erörterung von Möglichkeiten der steuer- und sozialversicherungsfreien Auszahlung tarifvertraglicher Leistungen nach § 3 Nr. 11c EStG statt.
Die Finanzämter haben auf Anfrage der Arbeitgeberin bzw. des Arbeitgebers gemäß § 42e EStG Auskunft zu geben, ob und inwieweit im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind (sog. Anrufungsauskunft). Bei Anrufungsauskünften zur Inflationsausgleichsprämie teilt das Finanzamt der Arbeitgeberin bzw. dem Arbeitgeber mit, ob in dem von der Arbeitgeberin bzw. dem Arbeitgeber geschilderten Sachverhalt die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11c EStG erfüllt sind. Eine beratende Auskunft hinsichtlich Möglichkeiten zur Zahlung einer steuerfreien Inflationsausgleichsprämie wird vom Finanzamt nicht erteilt.

5.a) Hat die bayerische Finanzverwaltung in einzelnen Fällen aus Frage 3 Steuerfreiheit gewährt?

5.b) Wenn ja, in wie vielen Fällen?

5.c) Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage?

6. In welcher Höhe ist es aktuell zu Steuermindereinnahmen durch Fälle aus Frage 3 gekommen?

Die Fragen 5 a bis 6 werden wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet.
Die bayerische Finanzverwaltung erkennt bei tarifvertraglichen Leistungen in den zu Frage 3 dargelegten Grenzen die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11c EStG an. Belastbare Zahlen, in wie vielen Fällen und in welchem betragsmäßigen Umfang tarifvertragliche Leistungen nach § 3 Nr. 11c EStG steuer- und sozialversicherungsfrei ausgezahlt wurden, liegen der Staatsregierung nicht vor (vgl. Antwort zu Frage 1).