Schriftliche Anfrage: Goldfinger-Prozess in Augsburg

Gemeinsam mit meinem Kollegen Toni Schuberl befragte ich am 06.08.2021 die Staatsregierung bezüglich des Goldfinger-Prozesses in Augsburg. Unsere Fragen wurden am 27.09.2021 von dem Staatsministerium der Justiz und hinsichtlich der Fragen 7.1, 7.2, 8.1 bis 8.3 im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen und für Heimat beantwortet:

Unsere Vorbemerkung:
Im Januar 2021 wurde der sog. „Goldfinger“-Prozess vor dem Landgericht Augsburg offiziell eingestellt, weil sich die Staatsanwaltschaft Augsburg und die Angeklagten auf eine Vereinbarung einigen konnten. In ihrem Abschlussplädoyer wirft die Verteidigung der Staatsanwaltschaft vor, die Ermittlungen und das Strafverfahren durch das Unterschlagen von Akten und einseitige Ermittlungen auch dann noch weiter verfolgt zu haben, als die Unschuld der Angeklagten offensichtlich geworden sei. Zudem seien Entschädigungsanforderungen in Millionenhöhe von der Staatskasse zu erwarten.

Vorbemerkung der Staatsregierung:
Gegenstand des in der Anfrage inmitten stehenden Strafverfahrens war die Organisation
eines Steuervermeidungsmodells im Bereich des Edelmetallhandels (sog. „Goldfinger“-Modell) durch die ehemals beschuldigten Rechtsanwälte und Steuerberater sowie die Nutzung dieses Modells durch deren Kunden.
Vereinfacht dargestellt funktionierte das „Goldfinger“-Modell laut den Berichten der
Staatsanwaltschaft Augsburg wie folgt: Ein deutscher Steuerpflichtiger beteiligt sich an einer gewerblichen Personengesellschaft im Ausland, die ihren Gewinn dort bilanzähnlich ermittelt. Die Gesellschaft handelt mit Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens (z. B. Gold), die im Veranlagungszeitraum 01 (nachfolgend: VZ 01) erworben und im nachfolgenden Veranlagungszeitraum 02 (nachfolgend: VZ 02) wieder veräußert werden.
Das Besteuerungsrecht an den Erträgen der Gesellschaft steht aufgrund eines Dop
pelbesteuerungsabkommens dem ausländischen Staat zu. In Deutschland werden die Einkünfte jedoch im Rahmen des Progressionsvorbehalts nach § 32b Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) bei der Ermittlung des Steuersatzes einbezogen.
Dies führt im Inland zu folgendem Effekt:

Die Anschaffungskosten im VZ 01, z. B. für den Ankauf von großen Goldmengen, sind
als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Im Ausland werden hohe Verluste generiert, sodass sich die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des Steuersatzes im Inland um diese vermindert. Damit kann der deutsche Steuersatz des Steuerpflichtigen bis auf null gesenkt werden.
Für die Möglichkeit einer steuerlichen Anerkennung dieses Effekts muss jedoch
zwingend eine Betriebsstätte im Ausland existieren. Im Folgejahr VZ 02 ergibt sich ein gegenteiliger Effekt: Dann sind die Verkaufserlöse steuersatzerhöhend zu berücksichtigen. Da sich die Steuerpflichtigen aber regelmäßig bereits im Anwendungsbereich des Spitzensteuersatzes befinden, wirkt sich dies im Ergebnis nicht aus. Im Ausland fällt im VZ 02 aufgrund der Möglichkeit, den Verlust aus dem Vorjahr vorzutragen, regelmäßig keine oder nur eine geringe Steuer an.
In einem weiteren Steuervermeidungsmodell wurde derselbe Effekt (Reduzierung
des Steuersatzes für die Einkommensteuer auf 0 Prozent) über den Handel mit Forwards (nicht börsengehandelte, unbedingte Termingeschäfte) erzielt. Genutzt wurde das Modell von vermögenden Steuerpflichtigen und von Personen mit großen Einzelerlösen (z. B. aus dem Verkauf von Unternehmensbeteiligungen), die insbesondere bei Einmaleffekten ihre Steuerlast mindern wollten. Die erste Anklage, die das „Goldfinger”-Modell betraf, umfasste nach Mitteilung der Generalstaatsanwaltschaft München ein Verlustvolumen von ca. 300 Mio. Euro und ein angeklagtes Hinterziehungsvolumen von ca. 70 Mio. Euro.
Insgesamt stand im gesamten Ermittlungsverfahren ein Verlustvolumen von ca.
1 Mrd. Euro im Raum, das mit den entsprechenden Steuerverkürzungen einherging. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft Augsburg und der Steuerbehörden bestand der Verdacht, dass die Angeklagten bei den entsprechenden steuerlichen Erklärungen unrichtige Angaben zum Sitz der Betriebsstätte machten, sodass aus dem (unter der Voraussetzung wahrheitsgemäßer Angaben) bis zu einer Gesetzesänderung im Jahre 2013 an sich legalen Gestaltungsmodell eine strafbare Steuerhinterziehung nach § 370 Abgabenordnung (AO) wurde.

Wir fragen die Staatsregierung:

1.1 Wie hoch sind die Kosten, die der Staatskasse durch den „Goldfinger“-Prozess vor dem Augsburger Landgericht entstanden sind (bitte einzelne Kostenpunkte angeben)?

Eine Aufstellung der Kosten der Strafverfahren liegt nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Augsburg noch nicht vor. Insbesondere ist angesichts noch offener Anträge der Verteidiger noch kein Gesamtabschluss des Ermittlungskomplexes „Goldfinger“ erfolgt.
Das Landesamt für Steuern hat ferner eine Übernahme von Kosten für ein Unternehmen, das vonseiten der bayerischen Finanzverwaltung mit der Sicherung, Aufbereitung und Bereitstellung zur Auswertung der im Ermittlungskomplex „Goldfinger“ sichergestellten elektronischen Daten beauftragt wurde, zugesagt. Diese Kosten belaufen sich auf aktuell 477.640,35 Euro.

1.2 Bis wann rechnet die Staatsregierung mit einer verlässlichen Berechnung möglicher Entschädigungsansprüche der ehemals angeklagten Personen gegenüber der Staatskasse?

Das insoweit maßgebliche sog. Betragsverfahren wird auf Antrag durchgeführt. Zwei frühere Angeklagte haben nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Augsburg zwischenzeitlich einen Entschädigungsantrag gestellt. Aufgrund des großen Umfangs dieses Antrags ist der Abschluss der Prüfungen nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft Augsburg
derzeit noch nicht absehbar.

1.3 Aus welchem Titel im Staatshaushalt werden solche Entschädigungsansprüche entnommen (bitte angeben mit Volumen im aktuellen Haushaltsjahr, bisherigen Entnahmen und Restbetrag im Titel zum aktuellen Datum)?

Die Frage wird dahin gehend verstanden, dass nach Ansprüchen nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) gefragt wird.
Für Entschädigungen an Beschuldigte in Strafsachen sind im Haushaltsjahr 2021 bei
Kap. 04 04 Tit. 681 01 5.860.000,00 Euro veranschlagt. Rechtsgrundlagen dieser Ausgaben sind das Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen und Ansprüche nach den §§ 467, 467a ff Strafprozessordnung (StPO). Mit Stand 31. August 2021 wurden insgesamt 3.788.931,34 Euro verausgabt. Eine Unterteilung in die einzelnen Bereiche ist nicht möglich.

2.1 Welche Ermittlungsverfahren werden zum aktuellen Zeitpunkt gegen in diesem Fall als Ermittlerinnen und Ermittler tätige Personen, insbesondere gegen die damalige Staatsanwältin ____ und den Staatsanwalt ____, geführt (bitte einzeln aufzählen mit jeweiligem Tatvorwurf und ermittelnder Behörde)?

2.2 Wie ist der Stand dieser Ermittlungen (bitte einzeln angeben)?

Nach Mitteilung der Generalstaatsanwaltschaft München werden die entsprechenden Strafanzeigen gegen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte bei der Staatsanwaltschaft München I geprüft. Dabei handelt es sich um fünf Strafanzeigen gegen eine damalige Staatsanwältin als Gruppenleiterin, zwei Strafanzeigen gegen einen Staatsanwalt und eine Strafanzeige gegen eine Oberstaatsanwältin. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt (Stand: 27. August 2021) werden insoweit keine Ermittlungsverfahren geführt.

2.3 Welche möglichen berufsrechtlichen Folgen könnten sich für die betroffenen Personen ergeben?

Das berufsrechtliche Mittel zur Ermittlung und Ahndung von Dienstvergehen ist das Disziplinarverfahren. Ganz allgemein kann zu Disziplinarverfahren mitgeteilt werden:
Gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Disziplinargesetz sind der oder die Dienst
vorgesetzte oder die Disziplinarbehörde verpflichtet, ein Disziplinarverfahren einzuleiten und die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen.
Ein Dienstvergehen liegt vor, wenn Beamtinnen und Beamte schuldhaft die ihnen ob
liegenden Pflichten verletzen.
Trifft wegen desselben Sachverhalts ein Disziplinarverfahren mit einem Strafver
fahren oder einem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren zusammen, bestehen Möglichkeiten der Aussetzung des Disziplinarverfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Strafverfahrens gemäß Art. 24 Bayerisches Disziplinargesetz.
Mögliche Disziplinarmaßnahmen gegen Beamtinnen und Beamte sind der Verweis, die Geldbuße, die Kürzung der Dienstbezüge, die Zurückstufung und die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 6 Abs. 1 und Art. 15 Bayerisches Disziplinargesetz).

3.1 Gegen wie viele Personen wurde wegen des Verdachts auf Steuerbetrug in diesem Fallkomplex insgesamt ermittelt?

Im gegenständlichen Verfahrenskomplex wurden 123 Personen als Beschuldigte geführt.

3.2 Wieso setzte die Staatsanwaltschaft Augsburg ihre Ermittlungen auch nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs von 2017, bei dem die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der „Goldfinger“-Steuerpraxis für rechtmäßig erachtet wurde, fort?

Die Einleitung des Ermittlungsverfahrens erfolgte zeitlich vor den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs vom 19. Januar 2017 zum „Goldfinger“-Modell in Abstimmung mit dem Landesamt für Steuern. Das Landesamt für Steuern stufte die Tätigkeit zum damaligen Zeitpunkt als private Vermögensverwaltung ein. Daneben bestand laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft in tatsächlicher Hinsicht der Verdacht, dass in Großbritannien keine Betriebsstätten existierten. Schließlich bestand noch der Verdacht eines nicht erklärten Steuerstundungsmodells nach § 15b EStG.
Durch die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs im Jahre 2017 wurde zwar ge
klärt, dass im „Goldfinger“-Modell grundsätzlich keine private Vermögensverwaltung durchgeführt wird, sondern dass gewerbliche Einkünfte erzielt werden.
Es verblieb jedoch nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft der Tatverdacht der
Steuerhinterziehung (§ 370 AO) im Hinblick auf fehlende Betriebsstätten in Großbritannien sowie das Steuerstundungsmodell nach § 15b EStG. Die Staatsanwaltschaft führte daher die Ermittlungen insoweit fort.

4.1 Wieso wurden sieben der ursprünglich Verdächtigten zwischenzeitlich in Untersuchungshaft genommen (bitte Gründe für jede Person einzeln angeben)?

4.2 Wann konnten diese Personen jeweils wieder entlassen werden?

4.3 Aus welchen Gründen wurden sie jeweils entlassen?

Die hier gebotene Abwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen, dem Steuergeheimnis gemäß § 30 AO und dem parlamentarischen Informationsrecht rechtfertigt keine Offenbarung von Personendaten. Eine namentliche Benennung der von der Anordnung der Untersuchungshaft Betroffenen unterbleibt daher. Die anonymisierte Bezeichnung der Betroffenen erfolgt durch Buchstaben ohne Bezug zu den Initialen der Namen.
Die Beschuldigten wurden aufgrund von Haftbefehlen des Ermittlungsrichters des
Amtsgerichts Augsburg in Untersuchungshaft genommen.
Auf Grundlage von Auskünften der Staatsanwaltschaft Augsburg werden hierzu fol
gende Informationen mitgeteilt:

In sämtlichen Fällen erfolgte die Außervollzugsetzung des jeweiligen Haftbefehls, weil aus Sicht der Gerichte der bestehende Fluchtanreiz durch eine Sicherheitsleistung beseitigt werden konnte. Die anfängliche Verdunkelungsgefahr bestand zu diesem Zeitpunkt nicht mehr oder war jedenfalls durch eine Sicherheitsleistung abwendbar.
Der dringende Tatverdacht wurde durch die insoweit befassten Gerichte (Oberlan
desgericht München, Amts- und Landgericht Augsburg) jeweils nicht verneint. Die Haftbefehle wurden nicht aufgehoben, sondern hatten zunächst weiterhin Bestand.

5.1 Wieso wurde den Verdächtigten über mehrere Wochen jeglicher Außenkontakt untersagt?

Den in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten wurde laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft Augsburg nicht jeglicher Außenkontakt untersagt.
Ist gegen einen Beschuldigten Untersuchungshaft angeordnet, kann gemäß § 119
Abs. 1 StPO das zuständige Gericht in Fällen der bestehenden Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr die Freiheits- und Persönlichkeitsrechte des Untersuchungsgefangenen in angemessener und verhältnismäßiger Weise einschränken,
um den Ermittlungserfolg nicht zu gefährden (sog. Beschränkungsbeschluss). Dem
entsprechend kann das Gericht insbesondere anordnen, dass Besuche des Untersuchungsgefangenen zu genehmigen und zu überwachen sind, Telekommunikation des Untersuchungsgefangenen sowie Schrift- und Paketverkehr von und zu dem Untersuchungsgefangenen zu überwachen sind, die Übergabe von Gegenständen von oder an den Untersuchungsgefangenen der Erlaubnis bedarf, eine getrennte Inhaftierung von anderen Personen, etwa von Mitbeschuldigten, erfolgt, der Untersuchungsgefangene bei Ausgang und Überstellung zu fesseln ist und die Ausantwortung der Genehmigung bedarf.
Auch im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht Augsburg – Ermittlungsrichter – in
richterlicher Unabhängigkeit neben dem jeweiligen Haftbefehl derartige Beschränkungen angeordnet. Dementsprechend war den von der Untersuchungshaft Betroffenen der Außenkontakt nicht verwehrt. Über den Verkehr mit ihren Verteidigern hinaus konnten sie nach Maßgabe der richterlich angeordneten Überwachung und der organisatorischen Vorgaben der jeweiligen Justizvollzugsanstalt Besuche empfangen und in postalischen Kontakt treten.

5.2 Trifft es zu, dass der Verdächtigte ____  aufgrund eines unzureichend behandelten Bandscheibenvorfalls nach der Untersuchungshaft auf einen Rollstuhl angewiesen war?

5.3 Welche diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen wurden ____ angeboten bzw. durchgeführt (bitte angeben mit jeweiliger Reaktion des ____)?

Aus Gründen des Daten- und Persönlichkeitsrechtsschutzes können keine Auskünfte zum Gesundheitszustand sowie zur medizinischen Behandlung (ehemaliger) Gefangener in Haft erteilt werden. Allgemein kann jedoch mitgeteilt werden, dass die Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen über gut ausgebildetes Ärzte- und Krankenpflegepersonal verfügt, um die erforderliche Krankenversorgung und Patientenpflege jederzeit zu gewährleisten. Die Gefangenen werden in der Anstalt umfangreich und fachübergreifend nach den Regeln der ärztlichen Kunst und unter Beachtung der medizinischen Leitlinien untersucht und behandelt. Bei Bedarf werden externe (Fach-)Ärzte hinzugezogen. Für eine abweichende Handhabung in dem mit der Frage mutmaßlich angesprochenen Fall bestehen keinerlei Anhaltspunkte.

6.1 Wann wurden zu diesen Ermittlungen jeweils die Generalstaatsanwaltschaft sowie die jeweils zuständigen Staatsministerien der Staatsregierung informiert (bitte alle Berichte, Schreiben, Gespräche, Telefonate und sonstiges
mit Datum angeben)?

6.2 Wie haben die Generalstaatsanwaltschaft bzw. die Staatsregierung auf diese Berichte reagiert (bitte jeweils Inhaltszusammenfassung und Datum der Antworten angeben)?

Aufgrund allgemeiner Anweisungen des Generalstaatsanwalts in München vom 11. Februar 2010 sowie vom 29. Januar 2019 sind Ermittlungsverfahren, die 18 Monate nach Eingang bei der Staatsanwaltschaft noch nicht abgeschlossen sind, im dortigen Bezirk der Generalstaatsanwaltschaft München fortlaufend bis zu deren Abschluss in einem Abstand von bis zu sechs Monaten zu berichten (sog. Rückstandsbericht). Eine Weiterleitung dieser Berichte an das Staatsministerium der Justiz (StMJ) erfolgt nicht.
Auf dieser Grundlage berichtete die Staatsanwaltschaft Augsburg der General
staatsanwaltschaft München mit Schreiben vom 25. November 2013, 6. Mai 2014, 25. November 2014, 18. Mai 2015, 20. November 2015 und 20. Mai 2016.
Diese Berichte wurden von der Generalstaatsanwaltschaft München zur Kenntnis
genommen.
Die Staatsanwaltschaften berichten darüber hinaus dem Staatsministerium der Jus
tiz auf Grundlage der Bekanntmachung des Staatsministeriums der Justiz über die Berichtspflichten in Strafsachen (BeStra) vom 7. Dezember 2005 (JMBl. 2006 S. 2) auf dem Dienstweg über den jeweils zuständigen Generalstaatsanwalt in allen Strafsachen, die wegen der Persönlichkeit oder der Stellung eines Beteiligten, wegen der Art oder des Umfangs der Beschuldigung oder aus anderen Gründen weitere Kreise beschäftigen oder voraussichtlich beschäftigen werden oder die zu Maßnahmen der Justizverwaltung oder der Gesetzgebung Anlass geben können.
Der Gesamtumfang des Ermittlungskomplexes „Goldfinger“ ergab sich nach Mit
teilung der Generalstaatsanwaltschaft München erstmals aus einem weiteren Rückstandsbericht der Staatsanwaltschaft Augsburg vom 7. Oktober 2016. Danach wurden von der Generalstaatsanwaltschaft München die Voraussetzungen für eine Berichterstattung nach BeStra bejaht.
Im Nachgang zu dem Bericht vom 7. Oktober 2016 fand am 18. Oktober 2016 eine
Besprechung der Generalstaatsanwaltschaft München mit Vertretern der Staatsanwaltschaft Augsburg statt. An der Besprechung in den Räumen der Generalstaatsanwaltschaft München nahmen auch Vertreter der Staatsanwaltschaft München I teil, weil der Gegenstand der Ermittlungen örtliche Bezüge nach München aufwies. Gegenstand der Besprechung waren rechtliche und verfahrensbezogene (Zuständigkeit u. a.) Fragen.
Das Staatsministerium der Justiz wurde von der Generalstaatsanwaltschaft Mün
chen erstmals am 11. Oktober 2016 telefonisch über das vorgenannte Ermittlungsverfahren in Kenntnis gesetzt. Ab dem 31. Oktober 2016 (Eingang des ersten schriftlichen Berichts der Generalstaatsanwaltschaft München unter Beifügung des Berichts der Staatsanwaltschaft Augsburg vom 7. Oktober 2016) berichtete die Staatsanwaltschaft Augsburg dem Staatsministerium der Justiz in regelmäßigen Abständen sowie anlassbezogen auf dem Dienstweg über die Generalstaatsanwaltschaft München.
Die Staatsanwaltschaft Augsburg unterrichtete das Staatsministerium der Justiz da
bei über die Generalstaatsanwaltschaft München insbesondere wie folgt:

Die vorgenannten Berichte der Staatanwaltschaft Augsburg sind regelmäßig einige Tage nach den in Spalte 1 dieser Tabelle aufgeführten Daten über die Generalstaatsanwaltschaft München mit einem gesonderten Bericht an das Staatsministerium der Justiz weitergeleitet worden.
Ergänzend setzte die Generalstaatsanwaltschaft München das zuständige Fachre
ferat im StMJ anlassbezogen über aktuelle Informationen fernmündlich oder per E-Mail in Kenntnis.
Darüber hinaus bestanden zwischen der Generalstaatsanwaltschaft München und
der Staatsanwaltschaft Augsburg im Rahmen der Dienstaufsicht zahlreiche weitere telefonische und elektronische Kontakte sowohl ergänzend zu Berichten als auch anlassbezogen, um die Generalstaatsanwaltschaft zeitnah über aktuelle Entwicklungen
im Verfahren in Kenntnis zu setzen.

Im Rahmen von mehreren Beschwerdeverfahren zum Oberlandesgericht München
hat die Staatsanwaltschaft Augsburg zudem der Generalstaatsanwaltschaft München die entsprechenden Verfahrensakten vorgelegt.

6.3 Inwiefern hatte die Staatsregierung ein Interesse an der Fortsetzung der Ermittlungen?

Das Staatsministerium der Justiz ist gemäß Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) an Recht und Gesetz gebunden. Im Rahmen der Fach- und Dienstaufsicht wird auf Grundlage der dem Staatsministerium der Justiz mitgeteilten Informationen überprüft, ob die Sachbehandlung der (General-)Staatsanwaltschaften rechtmäßig ist. Soweit zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorliegen, haben die Staatsanwaltschaften gemäß § 152 Abs. 2 StPO entsprechend dem Legalitätsprinzip ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Liegt ein hinreichender Tatverdacht vor, sind die Staatsanwaltschaften gemäß § 170 Abs. 1 StPO verpflichtet, Anklage zu erheben. Andernfalls ist das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO einzustellen. Soweit die Voraussetzungen für eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens gemäß den §§ 153 ff StPO erfüllt sind, kann die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren aus Opportunitätsgründen einstellen.
Diese Maßstäbe fanden auch im vorliegenden Fall Anwendung. Im Hinblick auf die
Reaktion des Staatsministeriums der Justiz auf die Berichte der Staatsanwaltschaft Augsburg und der Generalstaatsanwaltschaft München wird auf die Antwort zu den Fragen 6.1 und 6.2 Bezug genommen.

7.1 Inwiefern war der damalige Staatsminister der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat und jetzige Ministerpräsident Dr. Markus Söder in die Ermittlungen eingebunden?

Eine Einbindung fand nicht statt.

7.2 Inwiefern war der damalige Staatssekretär im Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat und jetzige Staatsminister der Finanzen und für Heimat Albert Füracker in die Ermittlungen eingebunden?

Eine Einbindung fand nicht statt.

7.3 Inwiefern waren der damalige Staatsminister der Justiz Prof. Dr. Winfried Bausback und der jetzige Staatsminister der Justiz Georg Eisenreich in die Ermittlungen eingebunden?

Weder Staatsminister a. D. Prof. Dr. Winfried Bausback noch Staatsminister Georg Eisenreich waren in die Ermittlungen eingebunden.
Staatsminister a. D. Prof. Dr. Winfried Bausback wurden lediglich im Rahmen der
Berichterstattung nach BeStra (vgl. Antwort zu den Fragen 6.1 und 6.2) einzelne Unterlagen im Zusammenhang mit wesentlichen Ermittlungsschritten der Staatsanwaltschaft Augsburg (z. B. erfolgte Einleitung und Erweiterung des Ermittlungsverfahrens, Übergang in die offene Ermittlungsphase) zur Kenntnisnahme vorgelegt.

8.1 Wie hoch schätzt die Staatsregierung den Schaden für den Freistaat Bayern durch das sog. „Goldfinger“-Modell zwischen 2009 und 2016 (bitte nach Jahren aufgeschlüsselt angeben)?

Eine valide Aussage zu den finanziellen Auswirkungen des „Goldfinger“-Modells kann aufgrund noch nicht bestandskräftiger Veranlagungen und ausstehender Entscheidungen der Finanzgerichte nicht getroffen werden. Die Finanzgerichte sind nicht an strafgerichtliche Entscheidungen gebunden.

8.2 Geht die Staatsregierung davon aus, dass mit den Änderungen im Einkommensteuergesetz die Gesetzeslücke, die das Modell ermöglichte, nachhaltig geschlossen wurde (bitte einzeln angeben für Inlands- und Auslandsfälle)?

Das „Goldfinger“-Modell bewirkte in Inlandsfällen einen Steuersteuerstundungseffekt.
Dieser künstlichen Steuerstundung trat der Gesetzgeber durch Einführung des § 15b
Abs. 3a Einkommensteuergesetz (EStG) entgegen. Die Vorschrift bewirkt bei nicht bilanzierenden Steuerpflichtigen, die Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens ohne körperliche Übergabe (§§ 930, 931 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) erwerben, dass die daraus resultierenden Verluste nicht sofort abgezogen, sondern nur mit künftigen Einkünften bzw. Gewinnen aus derselben Einkunftsquelle verrechnet werden können. Diese Regelung verhindert den Steuerstundungseffekt des „Goldfinger“-Modells für Wirtschaftsgüter, die nach dem 28. November 2013 erworben wurden.
In Auslandsfällen nutzten die Steuerpflichtigen die Wirkungen des Progressions
vorbehalts nach § 32b EStG zur Reduzierung ihrer Steuerlast aus. Durch Aufnahme des § 32b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c EStG und die sinngemäße Anwendung von § 15b EStG nach § 32b Abs. 1 Satz 3 EStG wurde die Regelungslücke wirksam geschlossen. Für Zwecke des Progressionsvorbehalts sind nach § 32b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c EStG die Anschaffungs- und Herstellungskosten für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, die nach dem 28. Februar 2013 angeschafft oder in das Betriebsvermögen eingelegt wurden, erst im Zeitpunkt der Veräußerung oder Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Durch diese zeitlich versetzte Berücksichtigung von Betriebsausgaben bei Progressionseinkünften wird insbesondere erreicht, dass sich die Gewinne aus dem Erwerb und dem späteren Verkauf von Umlaufvermögen in dem Veranlagungszeitraum, in dem sie erzielt werden, im erforderlichen Maße durch Erhöhung des persönlichen Steuersatzes des Steuerpflichtigen steuerlich auswirken. So ist sichergestellt, dass auch bei ausländischen Einkünften, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, nach dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit vorgegangen wird.

8.3 Sind aktuell weitere Verfahren geplant, die im Zusammenhang mit dem „Goldfinger“-Modell stehen?

Laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft Augsburg sind dort aktuell keine Ermittlungen geplant, die im Zusammenhang mit dem „Goldfinger“-Modell stehen.
Auch dem Staatsministerium der Finanzen und für Heimat ist (Stand: 27. August
2021) nicht bekannt, dass vonseiten der Strafverfolgungsbehörden die Aufnahme neuer Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem „Goldfinger“-Modell geplant ist.
Bei der Staatanwaltschaft München I ist derzeit noch ein Ermittlungsverfahren im Zu
sammenhang mit „Goldfinger“-Modellen anhängig. Ein weiteres Ermittlungsverfahren, das die Staatsanwaltschaft München I von der Staatsanwaltschaft Augsburg übernommen hat und das den Vorwurf der Beihilfe zu den in Augsburg verfolgten Taten betraf, wurde bereits nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.