Schriftliche Anfrage: Gewerbesteueroase im Ebersberger Forst

Am 29.07.2022 befragte ich die Staatsregierung bezüglich der Gewerbesteueroase im Ebersberger Forst. Meine Fragen wurden am 31.08.2022 von dem Staatsministerium der Finanzen und für Heimat im Einvernehmen mit dem
Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und im Hinblick
auf die Frage 1.3 mit dem Staatsministerium der Justiz
beantwortet
:

Meine Vorbemerkung: Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen Manager der Firma „Wealthcap“
aufgenommen. Durch den Firmensitz im Seegrasstadel (St. Hubertus 2, Ebersberger
Forst) sollen laut Staatsanwaltschaft Gewerbesteuern in Millionenhöhe hinterzogen worden sein.

Die Staatsregierung wird gefragt:

1.1 Auf wessen Initiative hin wurde 2004 der Mietvertrag zwischen der Staatsforstverwaltung und der H.F.S. Leasingfonds GmbH für die Räumlichkeiten im Seegrasstadel (St. Hubertus 2, Ebersberger Forst) geschlossen?

Nach den dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vorliegenden Unterlagen ging die Initiative von der H.F.S. Leasingfonds GmbH aus.

1.2 Welche Kenntnisse hatten die Staatsforstverwaltung und das zuständige Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten damals über die konkrete Nutzung der Seegrasstadels?

Mit dem Mietvertrag vom 15.12.2004 wurde ein Büroraum samt einer als Parkplatz nutzbaren Stellfläche konkret „als Firmensitz der H.F.S. Leasingfonds GmbH“ vermietet.

1.3 Inwieweit wurden das Staatsministerium der Finanzen und für Heimat sowie das Staatsministerium der Justiz eingebunden, das Seegrasstadel für gewerbliche Vermietung zu nutzen?

Eine Einbindung des Staatsministeriums der Justiz wurde nicht festgestellt. Mit dem Staatsministerium der Finanzen und für Heimat erfolgte eine informelle Erörterung.

2.1 Wie oft wurden zwischen 2004 und Ende 2021 seitens der zuständigen Finanzbehörden Maßnahmen ergriffen, um dem Verdacht des Gewerbesteuerbetrugs durch Firmenverlagerung oder Scheinfirmensitz im Seegrasstadel nachzugehen (bitte pro Jahr angeben und jeweilige Maßnahme aufführen)?

3.1 Aus welchen Gründen hat im Jahr 2020 die zuständige Finanzverwaltung nach über 15 Jahren ihre Rechtsauffassung in der Frage geändert, welcher Kommune die aus dem Gewerbegebiet generierte Gewerbesteuer zusteht?

3.2 Inwieweit wurde dieses Vorgehen mit dem Staatsministerium der Finanzen und für Heimat sowie dem Staatsministerium der Justiz abgestimmt?

4.2 War der Finanzverwaltung bekannt, dass es sich bei der von der Firma H.F.S. Leasingfonds GmbH angemieteten Adresse ausschließlich um einen Briefkasten am Seegrasstadel handelte?

4.3 Wie bewertet die Finanzverwaltung die Tatsache, dass die Anschrift der Firma H.F.S. Leasingfonds GmbH und weiterer Mieter des Seegrasstadels in einem Landschaftsschutzgebiet lag, in dem nicht gebaut werden darf, vor dem Hintergrund der an diesem Ort erklärten gewerbesteuerpflichtigen unternehmerischen Tätigkeit?

Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 2.1, 3.1, 3.2, 4.2 und 4.3 gemeinsam beantwortet.
Eine Beantwortung der Fragen 2.1, 3.1, 3.2, 4.2 und 4.3 ist wegen des konkreten
steuerlichen Bezugs nicht möglich. Beim parlamentarischen Fragerecht sind die durch die verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechte der Betroffenen gesetzten Grenzen (Art. 101 Verfassung des Freistaates Bayern – BV) zu berücksichtigen. Die gebotene Abwägung zwischen Informationsrecht und grundsätzlich geschütztem Persönlichkeitsrecht, auf das sich auch die in der Schriftlichen Anfrage angesprochenen Gesellschaften als juristische Personen des Privatrechts berufen können, rechtfertigt keine Offenbarung der steuerlichen Verhältnisse. Dies kann nur dann der Fall sein, wenn ein zwingendes öffentliches Interesse dies erfordern würde. In den vorliegenden Fällen liegt zum aktuellen Zeitpunkt jedoch weder eine Gefährdung des Gemeinwohls noch der öffentlichen Sicherheit vor, die eine Offenbarung rechtfertigen könnten.

3.3 Wie viele Fälle sind der Staatsregierung bekannt, in denen – seit 2018 – die zuständigen Finanzverwaltungen in Bayern die Gewerbesteuerzuteilung im Nachhinein noch geändert haben (bitte Auflistung nach Jahren, betroffene Kommunen und Höhe der Steuerbeträge)?

Die Anzahl der Fälle, in denen in Bayern die Gewerbesteuerzuteilung im Nachhinein von Finanzämtern noch geändert wurde, wird statistisch nicht erfasst und kann auch maschinell nicht ausgewertet werden.

4.1 Inwiefern überprüft die Finanzverwaltung die Anschriften von Firmensitzen beim Vollzug der Gewerbesteuer?

5, Was unternimmt die Staatsregierung grundsätzlich gegen derartige Geschäftsmodelle mit Briefkastenfirmen?

Die Fragen 4.1 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Es wird auf die Antworten zu den Fragen 1.3 sowie 8.1 bis 8.3 der Schriftlichen An
frage vom 20.12.2021 verwiesen (Drs.18/19727).