Schriftliche Anfrage: Bayerische Maßnahmen zu den Sanktionen gegen Russland III

Gemeinsam mit meinem Kollegen Toni Schuberl, befragte ich am 01.07.2022 die Staatsregierung bezüglich der Bayerischen Maßnahmen zu den Sanktionen gegen Russland. Unsere Fragen wurden am 27.07.2022 von dem Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration im Einvernehmen mit den Staatsministerien der Justiz und der Finanzen und für Heimat beantwortet:

Unsere Vorbemerkung:
Sanktionierten Personen ist es verboten, ihre Immobilien in Bayern zu vermieten.
Staatliche bayerische Stellen könnten aufgrund des Grundbuchs die Immobilien sank
tionierter Personen kennen und aufgrund des Melderegisters die Bewohner einer Immobilie ermitteln. Dadurch könnten Mietverhältnisse beendet und die Sanktionen wirksamer umgesetzt werden. Immobilien, die gegen die Bestimmungen der Sanktionen vermietet sind, könnten beschlagnahmt werden.

Vorbemerkung des Ministeriums:
Zum besseren Verständnis werden der Beantwortung der Fragen folgende Ausführungen vorangestellt:
Die derzeitigen Sanktionen beruhen vor allem auf der Verordnung (EU) Nr. 269/2014
des Rates vom 17.03.2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen.
Im Zuge dessen trat nunmehr das Erste Gesetz zur effektiveren Durchsetzung von
Sanktionen (Sanktionsdurchsetzungsgesetz I) am 28.05.2022 in Kraft.
Dabei weist der Bundesgesetzgeber den von den Ländern zu bestimmenden Be
hörden (§ 13 Abs. 2 a Außenwirtschaftsgesetz – AWG) mit den §§ 9 a ff AWG neue Befugnisse zur Möglichkeit der Vermögensermittlung und der Sicherstellung von Vermögensgegenständen bis zur Aufklärung der Eigentumsverhältnisse zu.
Durch die Staatskanzlei wurde am 04.07.2022 dem Staatsministerium des Innern,
für Sport und Integration (StMI) die Federführung für die erforderlichen Maßnahmen zur Bestimmung und Einrichtung der nach § 13 Abs. 2 a AWG zuständigen Behörde zugewiesen. Zur Umsetzung dieser Maßnahmen haben bereits erste Gespräche und
Abstimmungen stattgefunden.

Die Staatsregierung wird gefragt:

1.1 Ist es sanktionierten Personen erlaubt, ihre Immobilien in Bayern zu vermieten?

Gemäß Art. 2 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 269/2014 werden sämtliche Gelder und wirtschaftliche Ressourcen der auf der Sanktionsliste befindlichen natürlichen und juristischen Personen und sonstigen Entitäten „eingefroren“. Eine eingefrorene Sache darf nicht mehr veräußert, vermietet oder belastet oder in sonstiger Weise zum Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen verwendet werden (Art. 1 Buchst. e der Verordnung). Zudem dürfen gelisteten Personen oder Entitäten aufgrund des Bereitstellungsverbots gemäß Art. 2 Abs. 2 der Verordnung im Rahmen einer Vermietung keine Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.

1.2 Was wird von staatlicher Seite aus unternommen, sobald bekannt wird, dass eine sanktionierte Person eine Immobilie in Bayern vermietet?

Soweit im Zusammenhang mit der Vermietung einer Immobilie zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat, insbesondere eine Tat nach § 18 AWG, vorliegen, wird die zuständige Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren einleiten. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens werden u.a. Beweise und ggf. auch Vermögenswerte zur Sicherung einer späteren Einziehung vorläufig gesichert.
Mietverhältnisse, die bereits vor dem Inkrafttreten der Sanktion für die sanktionierte
Person abgeschlossen worden sind, können nach den Art. 6 und 7 Verordnung (EU) Nr. 269/2014 mit der Maßgabe fortgeführt werden, dass die Mietzahlungen auf ein eingefrorenes Konto geleistet und dort ebenfalls eingefroren werden. Auf diese Weise kann auch auf Interessen der betroffenen Mieter angemessen Rücksicht genommen werden.

2.1 Welche staatlichen Stellen sind berechtigt, zur Durchsetzung der Sanktionen gegen Russland die Grundbücher nach Immobilien sanktionierter Personen zu durchsuchen?

Gemäß § 12 Grundbuchordnung (GBO) ist die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Für inländische öffentliche Behörden sieht § 43 Verordnung zur Durchführung der Grundbuchordnung (GBV) eine Erleichterung der Grundbucheinsicht vor: Danach sind Beauftragte inländischer öffentlicher Behörden befugt, das Grundbuch einzusehen, ohne dass sie ein berechtigtes Interesse darlegen müssten; ein solches Interesse muss aber gleichwohl grundsätzlich vorhanden sein.
Der im Zuge des Sanktionsdurchsetzungsgesetz I neu geschaffene § 9 a AWG gibt
der noch zu benennenden zuständigen Behörde im Sinne von § 13 Abs. 2 a AWG die Befugnis, Einsicht in das Grundbuch zu nehmen, § 9 a Abs. 2 Nr. 6 AWG. Dasselbe gilt für die anderen nach dem AWG und sonstigen Gesetzen, etwa dem Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz – GWG), zuständigen Behörden, wie z.B. das Zollkriminalamt.

2.2 Gibt es eine Liste von bayerischen Immobilien sanktionierter Personen?

Nein.

3.1 Welche staatlichen Stellen sind berechtigt, zur Durchsetzung der Sanktionen die Melderegister nach Bewohnerinnen und Bewohnern von Immobilien sanktionierter Personen zu durchsuchen?

Nach § 34 a Abs. 3 Bundesmeldegesetz (BMG) können öffentliche Stellen zu einer Vielzahl von namentlich nicht bestimmten Personen bestimmte Daten automatisiert aus dem Melderegister abrufen, soweit die öffentliche Stelle diese Daten zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt (§ 34 a Abs. 1 BMG). Öffentliche Stellen im Sinne des Bundesmeldegesetzes sind dabei solche nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BMG i. V.m. § 2 Abs. 1 bis 3 und 4 Satz 2 Bundesdatenschutzgesetz. Als zum Abruf berechtigte öffentliche Stellen des Bundes und der Länder kommen neben den nach § 13 a Abs. 2 AWG zu bestimmenden Landesbehörden weitere nach dem AWG, dem GWG oder anderen Gesetzen zuständige Behörden in Betracht.
Inwieweit eine etwaige Adressabfrage im o.g. Sinn für die Aufgabenerfüllung der noch
zu benennenden zuständigen Behörde bzw. zur Ermittlung von Mietverhältnissen benötigt wird und zweckmäßig ist, wird zu prüfen sein.

3.2 Gibt es eine Liste von Bewohnerinnen und Bewohnern von Immobilien sanktionierter Personen?

Nein.

4. Gibt es weitere Möglichkeiten, um Mieteinnahmen sanktionierter Personen zu identifizieren?

Die bayerische Finanzverwaltung hat unmittelbar nach Erlass der EU-Sanktionen gegen Russland/Belarus begonnen, die vorhandenen Daten mit den Sanktionslisten der EU abzugleichen. Auch sind die Finanzämter angewiesen, diese Listen bei der Fallbearbeitung im Auge zu behalten. Einschlägige Informationen, die der Finanzverwaltung bekannt werden, werden an die zuständigen Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden im Wege der Amtshilfe übermittelt.
Nach § 23 Abs. 1 AWG können zudem u.a. das Hauptzollamt, die Deutsche Bundes
bank und das Bundesamt für Wirtschafts- und Ausfuhrkontrolle (BAFA) Auskünfte verlangen und sich geschäftliche Unterlagen vorlegen lassen. Zudem besteht nach § 23 a Abs. 1 AWG eine Anzeigepflicht für Ausländer und Inländer, deren Gelder/Ressourcen Verfügungsbeschränkungen unterliegen, sowie für Logistikdienstleister nach Maßgabe des § 23 a Abs. 2 AWG. Eine allgemeine Informationspflicht ergibt sich aus Art. 8 der Verordnung (EU) Nr. 269/2014.

5.1 Wird die Staatsregierung dafür sorgen, dass in Bayern die vermieteten Immobilien sanktionierter Personen gefunden werden?

Im Geschäftsbereich des StMI kann die noch zu benennende, nach § 13 Abs. 2 a AWG zuständige Behörde im Rahmen der nach §§ 9 a ff AWG aufgezählten (Ermittlungs-) Maßnahmen tätig werden Es ist darauf hinzuweisen, dass es sich zum jetzigen Zeitpunkt bei diesen Vorschriften teilweise um unbestimmte „Kann“-Regelungen handelt.
Die in diesem Zusammenhang noch offenen Fragen bedürfen der Klärung mit den
federführenden Bundesministerien (Bundesministerium der Finanzen – BMF und Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz – BMWK) und ggf. sogar mit der Europäischen Union. Das StMI und das Staatsministerium der Justiz (StMJ) arbeiten in entsprechenden Arbeitsgruppen unter Federführung des BMF und des BMWK mit.
Die Finanzverwaltung wird weiterhin gewonnene Erkenntnisse im Wege der Amtshilfe
an die zuständigen Behörden weiterleiten.
Die Strafverfolgungsbehörden dürfen nur tätig werden, soweit ein Anfangsverdacht
für eine Straftat vorliegt. In diesem Fall werden alle notwendigen und rechtlich möglichen Maßnahmen auch ergriffen.
Es ist den Strafverfolgungsbehörden jedoch untersagt, ohne Anlass nach vermieteten
Immobilien sanktionierter Personen zu suchen.

5.2 Wird die Staatsregierung dafür sorgen, dass sanktionierte Personen keine Einnahmen mehr aus ihren Immobilien in Bayern erhalten?

Die noch zu benennende, nach § 13 Abs. 2 a AWG zuständige Behörde kann nach Maßgabe des § 9b Abs. 1, 2 AWG die (vorläufige) Sicherstellung wirtschaftlicher Ressourcen sanktionierter Personen oder Personengesellschaften präventiv anordnen, um zu verhindern, dass über diese entgegen der Verfügungsbeschränkung verfügt wird. Wie bereits erwähnt handelt es sich hierbei jedoch um eine unbestimmte Regelung, deren konkrete Anwendung im nationalen und europäischen Kontext noch einer umfassenden Würdigung bedarf.
Soweit die Vereinnahmung von Mietzahlungen im Zusammenhang mit der Begehung
von Straftaten, insbesondere einer Tat nach § 18 AWG, steht, unterliegen die Zahlungen der strafrechtlichen Einziehung nach Maßgabe der §§ 73 ff Strafgesetzbuch (StGB), § 20 AWG.

5.3 Werden Immobilien sanktionierter Personen, die unter Bruch der Sanktionen vermietet worden sind, beschlagnahmt?

Vermögenswerte, die Gegenstand eines strafbaren Sanktionsverstoßes sind, können unter den Voraussetzungen der § 20 AWG, §§ 74 ff StGB eingezogen werden.
Die Einziehung steht, namentlich mit Blick auf den damit verbundenen Eingriff in das
Eigentumsgrundrecht, unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit (vgl. § 74 f StGB).
Zur Vorbereitung einer späteren Einziehung können Vermögenswerte vorläufig be
schlagnahmt werden.