Schriftliche Anfrage: Cum-Cum I: Stand der steuer- und strafrechtlichen Aufklärung

Mit Hilfe von Cum-Cum-Geschäften erhielten ausländische Investor*innen indirekt eine Rückerstattung von Kapitalertragsteuern auf Aktien, obwohl sie darauf gar keinen Anspruch hatten. Dafür wurden die Aktien durch den ausländischen Investor*innen kurz vor dem Dividendenstichtag mittels Veräußerung und Rückerwerb oder Wertpapierleihgeschäft auf eine inländische Bank übertragen, die einen Anspruch auf Erstattung der Kapitalertragsteuer hatte. Den Gewinn aus der Steuererstattung teilten die Beteiligten dann untereinander durch die Preisgestaltung auf.

Bisher ist unklar, wie hoch der Steuerschaden aus den Cum-Cum-Geschäften in Deutschland tatsächlich ist. Nach Berechnungen des Steuerprofessors Christoph Spengel für Panorama, der Zeit und Zeit online beträgt der Schaden allein aus Cum-Cum-Geschäften seit 2001 mindestens 24,6 Milliarden Euro.

Seit 2016 hat der Gesetzgeber diese Geschäfte erschwert und eine gesetzliche Regelung erlassen, die Cum-Cum-Geschäfte wirksam verhindern soll. Parallel läuft auch die Aufarbeitung des Cum-Cum-Skandals.

Ich frage die Staatsregierung:

1.1. In wie vielen Fällen bei Verfahren oder Verdachtsmomenten zu Cum-Cum-Geschäften wurden den Strafverfolgungs- und Finanzbehörden in Bayern konkrete Hinweise oder Verdachtsfälle von Seiten der Bundesbehörden mitgeteilt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahr und jeweiliger Behörde angeben)?
Zwischen Bundes- und Landesbehörden besteht bei der Überprüfung von Cum-Cum-Transaktionen ein regelmäßiger Austausch hinsichtlich relevanter Erkenntnisse zu Verdachtsfällen. Hierbei dienen vor allem das Bundesministerium der Finanzen und das Bundeszentralamt für Steuern als Ansprechpartner. Statistiken werden nicht geführt.

1 .2. Welche Tatbestände bei Aktiengeschäften müssen erfüllt sein, damit ein Sachverhalt durch die Staatsregierung als Verdachtsfall in Bezug auf ein Cum-Cum-Geschäft eingestuft wird?
Hinsichtlich der Anzeichen für eine missbräuchliche Cum/Cum-Gestaltung wird auf die ausführliche Darstellung und Erläuterung im BMF-Schreiben vom 17.07.2017 (BStBI. | S. 986) verwiesen. Sind die dort aufgeführten Tatbestandsmerkmale erfüllt, wird grundsätzlich von einer steuerlich motivierten Cum-Cum-Gestaltung ausgegangen.

1.3. Bei welchen Tatbeständen wird zumindest von einem Verdachtsmoment ausgegangen?
Grundsätzlich ist jedes kurzfristige Aktiengeschäft über den Dividendenstichtag weiter zu untersuchen. Als ein kurzer Zeitraum über den Dividendenstichtag gilt in jedem Fall eine Haltedauer von weniger als 45 Tagen (vgl. 5 36a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG). Ein Verdachtsmoment ergibt sich insbesondere dann, wenn darüber hinaus noch weitere Tatbestandsmerkmale i. S. d. BMF-Schreibens vom 17.07.2017 (BStBI. | S. 986) erfüllt sind.

2. Welche Akteure waren nach Kenntnis der Staatsregierung an den Cum-Cum-Geschäften beteiligt (bitte Anzahl untergliedert nach natürlichen Personen, Personengesellschaften, Banken, Genossenschaftsbanken, Sparkassen, Investmentfonds und sonstigen Kapitalgesellschaften angeben)?
Nach derzeitigem Ermittlungsstand handelt es sich bei den Beteiligten um fünf Investmentfonds, ein Kreditinstitut sowie drei sonstige Kapitalgesellschaften.

3.1. Wie viele Fälle von Cum-Cum-Gestaltungen wurden auf Grundlage des BMF-Schreibens vom 17. Juli 201,7 zur steuerlichen Behandlung von Cum-Cum-Transaktionen von den Finanzbehörden in Bayern nach Kenntnis der Staatsregierung aufgegriffen?
Nach Auskunft des Landesamtes für Steuern (LfSt) sind in Bayern bislang neun Fälle bekannt geworden, in denen Cum-Cum-Gestaltungen auf Grundlage des BMF-Schreibens vom 17. Juli 2017 oder aufgrund anderweitiger Erkenntnisse der Finanzbehörden aufgegriffen wurden.

3.2. Wie hoch ist das Gesamtvolumen der strittigen Steuerrückforderungen in diesen Fällen?
Nach Auskunft des LfSt zum derzeitigen Ermittlungsstand beträgt der potenzielle Steuerschaden aus den unter 3.1. genannten Cum-Cum-Gestaltungen rund 179 Mio. EUR.

3.3. In wie vielen der bekannten Fälle waren Kreditinstitute beteiligt (bitte untergliedert nach Banken, Genossenschaftsbanken und Sparkassen aufgliedern und das hierauf entfallende Volumen der strittigen Steuerzahlungen mit angeben)?
Vgl. Antwort zu 2

4. 1. In wie vielen Fällen (bitte Volumen mit angeben) an strittigen Steuerrückforderungen handelte es sich um eine sog. weitergereichte Wertpapierleihe nach den Tzn. 21 — 23 des o.g. BMF-Schreibens?
4.2. In wie vielen Fällen waren hierbei Kreditinstitute beteiligt (Antwort bitte untergliedert nach Gesamtanzahl der Beteiligten sowie Gesamtzahl der beteiligten Kreditinstitute untergliedert nach Banken, Genossenschaftsbanken und Sparkassen aufgliedern)?
4.3. In wie vielen der bekannten Fälle waren Investmentfonds beteiligt?
5.1. Wie hoch ist das hierauf entfallende Volumen der strittigen Steuerrückforderungen (bitte unter Nennung der Anzahl der beteiligten Investmentfonds)?
5.2. Bei wie vielen Fällen handelte es sich um eine sog. strukturierte Wertpapierleihe?
Die Fragen 4.1 bis 5.2 werden gemeinsam beantwortet. In Bayern ist ein Fall der weitergereichten Wertpapierleihe bekannt. Hinsichtlich der Beteiligten und dem strittigen Steuervolumen können aufgrund der Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses gem. 5 30 AO keine genaueren Auskünfte gegeben werden.

6.1. Ab welchem Zeitraum bestünde nach Kenntnis der Staatsregierung in Verdachtsfällen mit Cum-Cum-Bezug in Bayern ein Verjährungsrisiko sowohl für die strafrechtliche Verfolgung als auch die steuerrechtliche Rückforderung (bitte begründen und nach Art des Verjährungsrisikos sowie Eintritt der möglichen Verjährung tabellarisch aufführen und Anzahl der Verdachtsfälle mit angeben)?
Ansprüche aus einem Steuerschuldverhältnis unterliegen besonderen Verjährungsfristen. Dabei kommt es für den Eintritt sowohl der Festsetzungs- als auch der Zahlungsverjährung auf die jeweiligen Umstände des konkreten Einzelfalls an. Ebenso verhält es sich mit steuerstrafrechtlichen Verfolgungsansprüchen. Die Festsetzungsverjährung beträgt in Fällen der Steuerhinterziehung zehn Jahre. In den bisher bekannt gewordenen verjährungsbedrohten Fällen wurden die notwendigen verjährungsunterbrechenden Maßnahmen ergriffen.

6.2. Geht die Staatsregierung davon aus, dass derzeit keine Cum-Cum-Gestaltungen mehr möglich sind?
Mit Wirkung zum 01.01 2016 wurde mit 5 36a EStG eine Vorschrift eingeführt, die die Anrechenbarkeit der Kapitalertragsteuer bzw. eine Zahlungsverpflichtung in entsprechender Höhe aus missbräuchlichen Cum-Cum-Gestaltungen verhindert. Aufgrund der marktspezifischen Gegebenheiten am Aktienmarkt ist ein generelles Verbot von Aktiengeschäften um den Dividendenstichtag weder möglich noch durchsetzbar. Ab 01 .01 .2016 wurden jedoch steuerliche Anreize für diese Geschäfte neutralisiert.

6.3. Wenn ja, durch welche Maßnahmen wird sichergestellt, ob Cum-Cum-Gestaltungen auch in Zukunft nicht mehr möglich sind?
Vgl. Antwort zu 6.2

7.1. Wenn ja, durch welche Maßnahmen wird überprüft, ob Cum-Cum-Gestaltungen auch in Zukunft nicht mehr möglich sind?
Die Einhaltung der steuerlichen Vorschriften wird regelmäßig durch stichprobenartige Überprüfung im Rahmen der Steuerveranlagung bzw. durch Betriebsprüfungen sichergestellt.

7.2. In wie vielen Fällen haben die Landesfinanzbehörden seit 2001 die Erstattung bzw. Anrechnung von Kapitalefiragsteuer auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer aufgrund des Vorliegens von Cum-Cum-Geschäften verweigert (bitte Anzahl der Fälle getrennt nach Jahr und Höhe der beantragten Erstattung bzw. Anrechnung angeben)?
Bei den in Bayern nach derzeitigem Ermittlungsstand bekannten Fällen mit Cum-Cum-Gestaltungen handelt es sich um Fälle, bei denen die im ersten Schritt nicht einbehaltene Kapitalertragsteuer rück- bzw. nachgefordert werden musste. In einem Fall wurde im Rahmen der Betriebsprüfung die Anrechnung der Kapitalertragsteuer aufgrund von Cum-Cum-Gestaltungen beschränkt.

7.3. Wie häufig haben die Finanzbehörden in Bayern Auskünfte der BaFin nach 5 9 Absatz 5 Satz 1 des Kreditwesengesetzes – KWG erhalten (bitte Anteil von Fällen mit Bezug zu Cum-Cum-Geschäften an der Gesamtzahl angeben)?
Dem Landesamt für Steuern liegen zu Cum-Cum-Geschäften keine Informationen aus Auskünften der BaFin nach 5 9 Absatz 5 Satz 1 KWG vor.

8.1. In wie vielen Fällen haben die Landesfinanzbehörden seit 2001 Auskünfte zu Cum-Cum-Geschäften durch Finanzbehörden anderer Länder bekommen (bitte Anzahl getrennt nach Jahr und Bundesland der anderen Finanzbehörde angeben)?
Bei der Aufarbeitung tauschen sich die bayerischen Finanzbehörden regelmäßig über Erkenntnisse zu Verdachtsfällen auch mit anderen Landesfinanzbehörden aus. Statistische Aufzeichnungen hierzu werden nicht geführt.

8.2. In wie vielen Fällen seit 2001 haben die Finanzbehörden Anzeigen nach § 116 der Abgabenordnung in Bezug auf Cum-Cum-Geschäfte erhalten?
Die bayerische Finanzverwaltung hat keine Anzeigen i. S. v. § 116 AO erhalten.

8.3. Wie viele dieser Anzeigen führten zu weiteren straf- bzw. steuerrechtlichen Ermittlungshandlungen durch Landesbehörden (bitte Anzahl getrennt nach Jahr und Absender der Anzeigen aufgliedern)?
vgl. Antwort zu Frage 8.2