Elektrifizierung Jetzt!

Der Ausbau der Schieneninfrastruktur in Nordostbayern ist entscheidend für den Klimaschutz und die Zukunft der Region. Dafür müssen Ostoberfranken und die nördliche Oberpfalz an einem Strang ziehen.

 

Mein Oberfranken ist der Kleinste der bayerischen Bezirke. Obwohl insbesondere der Osten der Region als teilweise strukturschwach gilt, weist Oberfranken die zweithöchste Industriedichte Europas auf und überzeugt mit einem gesunden Mix aus Hochschulstandorten und ländlich geprägter Kulturlandschaft.

In einem Aspekt der Infrastruktur wird Ostoberfranken seinem negativen Ruf jedoch leider gerecht: Östlich von Bamberg liegt Deutschlands „Dieselinsel“.  Hier ist das Schienennetz bis heute nicht an das elektrische Oberleitungsnetz angeschlossen. Die fehlende Elektrifizierung macht Oberfranken für moderne Züge unbefahrbar und koppelt die Region buchstäblich von einem zentralen Element der deutschen Infrastruktur ab.

So wird der vielbeschworenen Mobilität auf dem Land eine knallharte Absage erteilt und auch die wirtschaftliche Infrastruktur leidet massiv.: Dabei wäre Oberfranken allein durch seine geographische Lage prädestiniert für eine zentrale Rolle in der Europäischen Infrastruktur. Zwei der neun europäischen Kernnetzkorridore – der Hauptschlagadern des Transeuropäischen Verkehrswegenetztes[1] – verlaufen durch Oberfranken: die Korridore Skandinavien – Mittelmeer und Rhein – Donau kreuzen sich genau hier[i]. Wie in ganz Europa sollten sie der Stärkung des Binnenmarkts und der europäischen Zusammenarbeit dienen. Doch davon ist in Oberfranken dank Dieselinsel wenig zu spüren.

Auch über den Kontinent hinaus ist der Güterzugverkehr aus der Wirtschaftsinfrastruktur nicht mehr wegzudenken – über das Transeuropäische Verkehrswegenetz und das chinesische Megaprojekt „Neue Seidenstraße“ werden jährlich Millionen Containertonnen in die EU gelangen. Währenddessen bleibt der Osten Oberfrankens trotz seiner geographisch zentralen Lage bislang stiller Beobachter.

Über das frisch aufgelegte Konjunkturpaket bietet sich der Bundesregierung die überfällige Gelegenheit, über Investitionen in die oberfränkische Schieneninfrastruktur gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen:

  • Sie stärken die Attraktivität der Region für Bürger*innen und Wirtschaft gleichermaßen,
  • Sie sind ein großer Schritt in Richtung dauerhafter Erfüllung der Klimaziele.

Mit diesem Blogbeitrag will ich die Verkehrspolitik im Freistaat Bayern und der Bundesrepublik Deutschland genauer unter die Lupe zu nehmen. Nach einer kurzen Zusammenfassung der Argumente für den Bahnausbau, stelle ich die wichtigsten Ausbauprojekte in der Region vor und erläutere, warum die Umsetzung dieser Projekte von großer Bedeutung für Oberfranken ist.

Warum ist der Bahnausbau wichtig?

Die Klimakatastrophe rollt unaufhaltsam auf uns zu. Entgegen aller Prognosen hat Deutschland „dank“ des erzwungenen Stillstands der Corona-Krise doch noch Chancen, die Klimaziele für 2020 zu erreichen[ii]. Dieser einmalige Effekt wird nicht nachhaltig wirken und die Emissionen werden ohne massive Klimaschutzmaßnahmen schnell wieder auf das Vorkrisenniveau ansteigen.

Der Verkehrssektor ist verantwortlich für knapp 20% der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen. Davon entfallen über 95% auf den Straßenverkehr. Im Gegensatz zu allen anderen Emissionsquellen ist dieser Wert in den vergangenen 30 Jahren in Deutschland nicht gesunken, sondern praktisch konstant geblieben[iii].

Eine Grafik zeigt die CO2-Emissionen der Sektoren Energie, Industrie, Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft, jeweils im Jahr 1990, 2018 und die Zielwerte für 2030

Abb. 1: Emissionsentwicklung in Deutschland. Daten (2018): BMU. Eigene Darstellung.

Die Faktenlage zeigt: Das seit über 10 Jahren von der CSU geführte Verkehrsministerium hat klimapolitisch versagt, auch aufgrund der stetigen „Bemühungen“ der Autolobby. So wurde mit der Bahn das effizienteste und gleichzeitig klimafreundlichste Verkehrsmittel konsequent kaputtgespart. Längst werden die Spitzenplätze bei Investitionen, Zuverlässigkeit und Fahrkomfort des Schienenverkehrs in Europa von Staaten wie Österreich und der Schweiz besetzt.

Abb. 2: Schieneninvestitionen in Europa. Daten (2018): BMVI, VöV, BMVIT, SCI Verkehr GmbH. Darstellung: Allianz pro Schiene.

Dabei bietet allein eine sinnvolle Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene ein enormes Potenzial, CO2 einzusparen. Eine realistische Verdopplung des Anteils der Schienengütertransporte könnte jährlich ca. 8,5 Mio. t CO2-Äquivalente einsparen[iv]. Auch im Personenverkehr gehen die CO2-Einsparpotenziale in die Millionen[v]. Über den Umwelt- und Klimaschutz hinaus bietet ein breit ausgebautes Schienennetz den kosteneffizientesten Gütertransport, bequeme Reisemöglichkeiten und gestattet Millionen von Berufspendler*innen (inklusive mir selbst) einen komfortablen Weg zur Arbeit.

Die Schiene ist zudem das Verkehrsmittel, das sich am unkompliziertesten auf die reine Elektromobilität umstellen lässt. Dank der fixen Schienenverläufe kann mit Hilfe von Oberleitungen leicht auf ressourcenintensive Batterietechnik verzichtet werden. Der Strommix der deutschen Bahn speist sich schon heute zu 57% aus erneuerbaren Energien[vi] und der Anteil steigt. Moderne Zugtechnologie ist völlig auf den Strombetrieb ausgelegt. Zukunftsfähige Verkehrskonzepte sind ohne eine moderne, elektrifizierte Schieneninfrastruktur undenkbar. Auch bei der Elektrifizierungsquote nimmt Deutschland europaweit keine Spitzenposition ein – obgleich vielerorts die Technologie von deutschen Firmen stammt:

Abb. 3: Streckenelektrifizierung in Europa. Daten (2019): BMVI und EU-Kommission. Darstellung: Allianz pro Schiene.

2020er – das „Jahrzehnt der Schiene“?

All diese Fakten sind mittlerweile auch in den PR-Abteilungen der Verkehrsministerien angekommen. CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer ließ es sich im Januar nicht nehmen, die 2020er zum Jahrzehnt der Schiene auszurufen[vii]. Seit Jahren finden sich in den Veröffentlichungen vieler Regierungsebenen – von Bund über Freistaat bis zum Bezirk – Passagen wie diese:

  • „Die Bundesregierung möchte die Eisenbahn wegen ihrer großen Bedeutung für Deutschland und Europa deutlich stärken. Im Vordergrund steht dabei: mehr Marktanteil der Schiene an der Verkehrsleistung, mehr Wettbewerb, ausreichende Finanzausstattung, […].“[viii]
  • „Auf dem Weg zu einem leistungsfähigen, nachhaltigeren Verkehrssystem spielt der Schienenverkehr wegen seiner spezifischen Vorteile am Standort Bayern eine bedeutende Rolle. […]. Auch deshalb soll sein Anteil an der Verkehrsleistung nach Absicht der Bayerischen Staatsregierung weiter wachsen.“[ix]
  • „Es ist anzustreben, insbesondere den überregionalen und internationalen Güterverkehr auf umweltfreundliche Verkehrsträger wie die Schiene zu verlagern.“[x]

Leider steckt hinter keiner dieser vollmundigen Ankündigungen ein tragfähiges Konzept. Der Zustand des deutschen Schienennetzes hat sich seit der Bahnreform 1994 massiv verschlechtert. Das Schienennetz ist um mehr als 6.000 Kilometer geschrumpft[xi]. Der Investitionsrückstand von 50 Milliarden Euro verschlingt den größten Teil der für Modernisierungen vorgesehenen Mittel[xii]. In der dringlichsten Projektstufe des Bundesverkehrswegeplans, dem „vordringlichen Bedarf“, reicht der Projektrückstau bis in die frühen 1990er-Jahre. Selbst wenn es gelingt, die geplanten Projekte bis zum Jahr 2030 umzusetzen, würde das Ziel einer 70%igen Elektrifizierung des Schienennetzes deutlich verfehlt werden[xiii].

Der Blick auf die nüchternen Zahlen zeigt: Auch im „Jahrzehnt der Schiene“ fließen 55% der Investitionen wieder in den Verkehrsträger Straße. Das ist keine Verkehrswende.

Meine Forderungen: Konkrete Maßnahmen in Oberfranken

Die fehlende Modernisierung des deutschen Schienennetzes wird nirgendwo deutlicher als in Ostoberfranken. Südlich von Hof und östlich von Lichtenfels ist keine einzige Schienenstrecke elektrifiziert. Um das Elektrifizierungsziel für Deutschland zu erreichen, müssen noch 3.180 Kilometer Schiene mit Oberleitungen versehen werden. Mehr als 20% dieser Strecke, über 620 Schienenkilometer, ließen sich allein in Bayerns kleinstem Regierungsbezirk elektrifizieren.

Diese Strecken sind teilweise seit Jahrzehnten Teil des „vordringlichen Bedarfs“ im Bundesverkehrswegeplan und wurden ungeachtet dessen stets ignoriert. Aufgrund der fehlenden Oberleitungen können moderne Lokomotiven den gesamten Nordosten Bayerns schlicht nicht befahren. Um aufwändige Umkopplungen zu vermeiden, nimmt der Güterverkehr Umwege von mehreren hundert Kilometern in Kauf, um etwa Transporte aus Tschechien in Richtung Nürnberg um die „Dieselinsel“ herum zu leiten.

Auch für den Personenverkehr gilt: Stationen im östlichen Oberfranken führen im Fernverkehr zu herben Zeitverlusten. Damit sinkt auch die Wahrscheinlichkeit, dass Verkehrsanbieter die Stationen anfahren – das spürt letztendlich die ganze Region schmerzhaft.

Abb. 4: Elektrifizierungspotenzial in Deutschland und Oberfranken (2019).
Abbildung: Allianz pro Schiene, Hervorhebung Oberfranken: eigene Darstellung.

 

Die wichtigsten Ausbauprojekte in Nordostbayern:

Von Nürnberg nach Hof und Schirnding: Die Franken-Sachsen-Magistrale

Abb. 1: Streckenverlauf der Franken-Sachsen-Magistrale (zum Vergrößern klicken) Darstellung: BMVI (2020).

Der bayerische Abschnitt der Franken-Sachsen-Magistrale ist die direkteste Verbindung zwischen Nürnberg, den sächsischen Großstädten Chemnitz und Dresden, und der tschechischen Hauptstadt Prag. Die Strecke bildet eine zentrale Achse der Ost-West-Verbindung innerhalb Europas und ist Teil des Transeuropäischen Schienennetzes und des Kernnetzes der Europäischen Union. Seit 1992 steht dieser Abschnitt mit vordringlichem Bedarf im Bundesverkehrswegeplan. Außerdem wurde sie 1995 – an meinem 2. Geburtstag – in einer Ressortvereinbarung zwischen den deutschen und tschechischen Verkehrsministern die Elektrifizierung der gesamten Strecke Nürnberg – Schirnding – Prag vertraglich beschlossen[i].

Von tschechischer Seite ist das Projekt seit vielen Jahren fertiggestellt und auch die sächsische Anbindung bis Hof ist seit 2011 vollständig elektrifiziert. Auf bayerischer Seite geschah bis heute: Nichts. Ein Schlag ins Gesicht für die Region, für die internationalen Partner und die Europäische Idee insgesamt. Da diese Strecke mit Abstand am Längsten in der vordringlichen Planung liegt, setze ich mich auch als Mitglied des Koordinierungsrats für den Bahnausbau Nürnberg – Schirnding dafür ein, dass die Franken-Sachsen-Magistrale endlich elektrifiziert und diese wichtige Verkehrsachse mit hoher Priorität ausgebaut wird.

Die Vorplanung des Projekts soll noch in diesem Jahr abgeschlossen werden, so dass mit dem Planfeststellungsverfahren begonnen werden kann. Ein zentrales Problem stellt die Streckenplanung noch vor Herausforderungen: Auf dem Streckenabschnitt zwischen Nürnberg und Marktredwitz quert die Strecke das Pegnitztal. Hier werden auf 20 Streckenkilometern 7 Tunnel sowie 23 Eisenbahnbrücken befahren, die in ihrer jetzigen Bausubstanz meist nicht für die Elektrifizierung geeignet sind.

Teilweise stehen diese historischen Bauwerke unter Denkmalschutz, was einen Umbau erschwert. Glücklicherweise wurden schon mehrere mögliche Lösungsansätze entworfen. Dazu zählt auch eine vollständige Neu-Trassierung mit einem 5 km-langen Tunnel parallel zum historischen Streckenverlauf[ii]. In Bürger*innendialogen muss nun sichergestellt werden, dass die für alle Beteiligten beste Lösung gefunden und zügig umgesetzt wird[iii].

Quellenangaben

[i]: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?start=%2F%2F*%5b%40attr_id%3D%27bgbl298s2935b.pdf%27%5d#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl298s2935b.pdf%27%5D__1589355717892
[ii]: https://www.bahnausbau-nordostbayern.de/presse.html?file=files/Downloads/Medienpaket2020/DB_Presseinfo_Bahnausbau_Pegnitztal_und_Bahnstrom.pdf
[iii]: https://www.bahnausbau-nordostbayern.de/online-rundgang.html

Von Hof nach Regensburg: Der Ostkorridor Süd

Abb. 1: Streckenverlauf Ostkorridor Süd (zum Vergrößern klicken). Darstellung: BMVI (2020).

Als komplementäre Nord-Süd-Ergänzung zur Franken-Sachsen-Magistrale wurde 2016 der Ostkorridor mit seinem südlichsten Abschnitt von Hof bis Regensburg und Obertraubling in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans 2030 aufgenommen. Von Hof bis Marktredwitz verläuft er auf der Strecke der Franken-Sachsen-Magistrale und führt dann über Schwandorf nach Regensburg. Auch er ist Teil des Transeuropäischen Kernnetzes, hier wird zentral der Korridor „Skandinavien – Mittelmeer“ bedient und bietet mit seinen nördlichen Anschlüssen über Uelzen und Leipzig eine wichtige Alternative zur durchgehend ausgelasteten Achse von Hamburg über Fulda, Würzburg und Nürnberg nach München. Der Ostkorridor Süd ist eines von 8 Pilotprojekten für das „1. Gesetz zur Vorbereitung der Schaffung von Baurecht durch Maßnahmengesetz im Verkehrsbereich“ (Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz), das die Planung wichtiger Infrastrukturprojekte beschleunigen soll[1]. Unabhängig meiner Bedenken zur Ausgestaltung dieses Gesetzes bleibt der Ausbau des Ostkorridors ein dringendes Anliegen, dessen Ausgestaltung nach Ende der Vorplanung 2021 schnellstmöglich umgesetzt werden muss.

Fußnote

Warum dieses Gesetz trotz des bitter nötigen Ziels, den Planungsstau bei der Verkehrswende zu verringern, äußerst kritisch zu sehen ist, fasst die Grüne Bundestagsfraktion hier zusammen: https://www.gruene-bundestag.de/themen/mobilitaet/bessere-planung-so-nicht

Von Nürnberg nach Furth im Wald: Die Metropolenbahn

Abb. 1: Streckenverlauf der Metropolenbahn (zum Vergrößern klicken). Darstellung: BMVI (2020).

Das letzte oberfränkische Schienenprojekt des Bundesverkehrswegeplans wurde erst 2018 aus dem potenziellen in den vordringlichen Bedarf hochgestuft. Das Bayerisch-Tschechische Kooperationsprojekt soll über Nürnberg, Schwandorf und Furth im Wald eine weitere Verbindung zwischen München und Prag schaffen und dabei auch Erreichbarkeitsdefizite in der Oberpfalz lindern. Gemeinsam mit den beiden zuvor genannten Strecken würde sich hiermit ein stabiles Netz für modernen Schienenverkehr in Nordostbayern ergeben, mit dem die infrastrukturelle Situation in der Region sich merklich verbessern ließe. In den Medien wird die Elektrifizierung der Metropolenbahn häufig als Konkurrenzprojekt zum Ausbau der Franken-Sachsen-Magistrale dargestellt. Dem widerspreche ich entschieden! Der Ausbau beider Strecken würde sich positiv auf die hiesige Infrastruktur auswirken und unterschiedliche, derzeit sehr schlecht erreichbare Gebiete in Bayern an das Fernverkehrsnetz anbinden.

Das Streckendreieck Hochstadt-Marktzeuln - Bayreuth - Hof: Die Oberfrankenachse

Abb. 1&2: Streckenverläufe der Oberfrankenachse (zum Vergrößern klicken). Darstellung: B;VI (2020).

Auch als Sitz der Regierung von Oberfranken ist Bayreuth nach wie vor nicht an das Fernverkehrsnetz angeschlossen. Die Verbindung zwischen Bayreuth und den beiden Hochschulstandorten Bamberg und Coburg liegt schieneninfrastrukturell brach. Während ich mit dem Auto in 45 Minuten in Bamberg bin, braucht der Zug oftmals fast 2 Stunden. Wahlweise führt die Zugstrecke über Lichtenfels oder sogar das 90 Kilometer entfernte Nürnberg. Die Elektrifizierung der Oberfrankenachse wurde 2018 (parallel zum Aufstieg der Metropolenbahn in den „vordringlichen Bedarf“) aus dem Bundesverkehrswegeplan gestrichen. Ich finde: das war ein großer Fehler! Eine nachträglich angekündigte, mögliche Übernahme in ein neues Programm ist bisher seitens der Bundesregierung nicht mehr thematisiert worden[i].

Weiterhin prüft die Bayerische Staatsregierung derzeit die Einstufung der Strecken im Rahmen der „Bayerischen Elektromobilitäts-Strategie Schiene zur Reduzierung des Dieselverkehrs im Bahnnetz in Bayern“[ii]. Im Rahmen dieses Programms wird für reguläre Streckenelektrifizierung lediglich auf Bundesmittel verwiesen. Bayerische Investitionen zielen auf die Förderung innovativer Antriebstechniken wie Wasserstoff oder Hybridansätze ab, mit denen schadstoffarm bzw. schadstofffrei auf der Schiene gefahren werden soll. Alle zur Erprobung vorgesehenen Antriebskonzepte befinden sich derzeit noch im Projektstadium. Zeitliche Prognosen zur Verfügbarkeit der Antriebskonzepte sind nicht möglich.

Obwohl die Antriebe in absehbarer Zeit nicht zur Verfügung stehen, ist die Staatsregierung nicht bereit, Landesmittel zur Elektrifizierung von Bahnstrecken bereitzustellen. Während die CSU weiter das Lied vom „Bahnland Bayern“ singt, sage ich: Oberfranken gehört auch zu Bayern – wo bleibt unser Anschluss?[iii]

Quellenangaben

[i]: https://www.dmm.travel/nc/news/mehr-elektrifizierung-fuers-klima-noetig/
[ii]: http://www1.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP18/Drucksachen/Schriftliche%20Anfragen/18_0004506.pdf
[iii]: https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP17/Drucksachen/Schriftliche%20Anfragen/17_0023624.pdf

Von Triptis nach Marxgrün: Die Reaktivierung der Höllentalbahn

Abb. 1&2: Schienenlücke im Höllental. Eigene Darstellung auf Basis von openstreetmap.de.

Neben der versäumten Elektrifizierung wurde das Schienennetz noch dazu verkleinert. Angesichts der steigenden Verkehrsbelastung allenthalben ein schwerer Fehler. Wir Grüne setzen uns daher konsequent für die Reaktivierung vieler stillgelegter Strecken ein.

Beispiel: die Verbindung vom oberfräkischen Marxgrün ins thüringische Blankenstein durch das malerische Höllental. Ende des 19. Jahrhunderts eingeweiht, fiel sie der innerdeutschen Teilung zum Opfer. Der Verkehr wurde 1972 eingestellt, Mitte der 80er wurden die Schienen abgebaut. Juristisch ist die Strecke jedoch nach wie vor dem Schienenverkehr gewidmet. Bauarbeiten zur Wiederinbetriebnahme könnten also jederzeit beginnen. Dieser Lückenschluss birgt auch erhebliches Potenzial für die Verlagerung von der Straße auf die Schiene: Die ansässige Papierfabrik Rosenthal hat großes Interesse bekundet, nach der Streckenreaktivierung einen Großteil ihrer Lieferwege auf den Schienenverkehr umzulagern. Der Logistikstandort Hof würde von einer Erweiterung seines Einzugsgebiets über Saalfeld nach Triptis profitieren. Die letzte Thüringer Landesregierung schrieb die Streckenreaktivierung gar im Koalitionsvertrag fest[i].

Gleichzeitig ist das Höllental aber auch ein wichtiges und äußerst hochwertiges Naturschutzgebiet. Die Baumaßnahmen müssten unter größtmöglicher Rücksicht auf die umgebende Natur stattfinden und weitreichende Lärm- und Schutzkonzepte für den späteren Betrieb müssten vorliegen. Umweltschädliche Pestizide wie Glyphosat dürfen nicht zur Freihaltung der Strecke eingesetzt werden. Im Gegensatz zu den völlig überzogenen Prestigebauten der Frankenwaldbrücken über das Tal[1] könnte eine Streckenreaktivierung der Höllentalbahn einen realen Beitrag zur Verbesserung der Infrastruktur für Anwohner*innen sowie Tourist*innen leisten – und durch den Wegfall hunderter LKW-Fahrten auch zum Naturschutz beitragen. Hier muss definitiv geprüft werden, ob eine umweltverträgliche Reaktivierung möglich ist!

Fußnote

[1]: Meine Kritik an den Plänen für dieses überdimensionierte Tourismusprojekt finden Sie hier: https://www.tim-pargent.de/presse/pressemitteilung-tim-pargent-und-stefan-schmidt-kritisieren-plaene-fuer-hoellentalbruecken/

Quellenangaben

[i]: https://www.die-linke-thueringen.de/fileadmin/LV_Thueringen/dokumente/KoalitionsvertragGesamttext_20201701.pdf

 

 

Fazit: Es ist buchstäblich höchste Eisenbahn

Die Bedeutung des Verkehrsträgers Schiene kann im Angesicht der Klimakatastrophe und der lange überfälligen Verkehrswende nicht überschätzt werden. Wollen wir unsere Klimaziele dauerhaft erreichen, ist eine massive und schnelle Verkehrsverlagerung von der Straße auf die elektrifizierte Schiene unausweichlich.

Der Osten von Oberfranken und die nördliche Oberpfalz sind bei dieser Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten auf der Strecke geblieben. Wenn die Bundesregierung ihre Zusagen einlöst und die Staatsregierung endlich auch Mittel beisteuert, kann Oberfranken bis 2030 zu einem starken Zentrum des Schienenverkehrs im Herzen Europas heranwachsen und eine wichtige Rolle auf der Ost-West-Achse des Kontinents einnehmen. Ein Ausspielen der verschiedenen Streckenverläufe gegeneinander ist wenig hilfreich für die dringende Verkehrswende. Leider werden die einzelnen Projekte meist nur aus einer regionalpolitischen Motivation vorangetrieben. Das verursacht zwangsläufig auch regionale Rivalitäten. Besser wäre es, die Elektrifizierungsprojekte gemeinsam als Chance für den Klimaschutz UND die regionale Infrastruktur zu verstehen. Dafür muss die gesamte Region Ost-Oberfranken und die nördliche Oberpfalz gemeinsam an einem Strang zu ziehen und für eine zeitgerechte Infrastruktur kämpfen. Mit einem elektrifizierten Schienennetz in der gesamten Region ergäben sich wiederum positive Synergieeffekte.

Unsere Idee eines starken, vereinten Europas kann nur gedeihen, wenn wir Brücken zwischen den Nationalstaaten bauen und am ehemaligen Grenzzaun mehr Austausch ermöglichen. Das Verkehrsmittel dieser europäischen Zukunft ist die eindeutig die Bahn. Als wichtiger Umschlagplatz vom Rhein zur Donau, von der Nordsee bis ans Mittelmeer, kann Oberfranken hier eine zentrale Rolle zukommen, die die Region auch innerhalb Bayerns und Deutschlands wettbewerbsfähiger macht. Gemeinsam mit unseren Partnerregionen in Sachsen, Thüringen und der Tschechischen Republik dürfen wir dieses gigantische Potenzial für die heimische Wirtschaft nicht länger ungenutzt lassen.

Machen wir das Jahrzehnt der Schiene zur Realität. Damit die gesamte Region in Oberfranken und der Oberpfalz endlich Teil des „Bahnlands Bayern“ wird. Unsere Region und unsere Kinder werden es uns danken!

Fußnote

[1]: Über dieses Großprojekt der Europäischen Kommission sollen in den kommenden Jahrzehnten die Europäischen Verkehrswege verbessert, und der Binnenmarkt und der Zusammenhalt innerhalb der EU gestärkt werden. Mehr Informationen über das Verkehrswegenetz finden Sie (in Englischer Sprache) auf den Seiten der Europäischen Kommission: https://ec.europa.eu/transport/infrastructure/tentec/tentec-portal/site/index_en.htm.

Quellenangaben

[i]: https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/G/transeuropaeische-verkehrsnetze-korridormanagement.html
[ii]: https://www.agora-energiewende.de/veroeffentlichungen/auswirkungen-der-corona-krise-auf-die-klimabilanz-deutschlands/
[iii]: https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Klimaschutz/klimaschutz_in_zahlen_verkehr_bf.pdf
[iv]: https://www.netzwerk-bahnen.de/assets/files/news/pdf/2019_09_10_kcw_klimaeffekt_verlagerung.pdf
[v]: https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/MKS/studie-verlagerungspotenzial-schienenpersonenverkehr.pdf?__blob=publicationFile
[vi]: https://www.allianz-pro-schiene.de/themen/umwelt/elektromobilitaet/
[vii]: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/die-bahn-klimapaket-scheuer-schienennetz-puenktlich-100.html
[viii]: https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/E/flyer-eisenbahnen.pdf?__blob=publicationFile
[ix]: https://www.stmb.bayern.de/vum/schiene/index.php
[x]: http://www.oberfranken-ost.de/deu/m3/verkehr.html
[xi]: https://www.allianz-pro-schiene.de/themen/infrastruktur/schienennetz/
[xii]: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/die-bahn-klimapaket-scheuer-schienennetz-puenktlich-100.html
[xiii]: https://www.allianz-pro-schiene.de/presse/pressemitteilungen/bund-noch-ohne-plan-fuer-streckenelektrifizierung/

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