Bericht vom „Bayern-Tag“ im Wirecard-Untersuchungsausschuss

Der Wirecard-Untersuchungsausschuss im Bundestag hat sich zwangsläufig auch mit bayerischen Personalien und Behörden beschäftigt. Dafür habe ich mich auch in den Zug nach Berlin gesetzt und bei der Befragung am 28. und 29.1. zugeschaut – es waren spannende Tage! Die Abgeordneten aller Bundestags-Fraktionen haben die geladenen Zeug*innen der Reihe nach befragt, und manchmal habe ich mich wie im Verhandlungssaal eines Gerichts gefühlt. Die Kolleg*innen brauchen dafür ganz schön Sitzfleisch: an Tag 1 ging die Befragung mehr als 15 Stunden, am Tag 2 begnügte man sich mit 8 Stunden.

Zurück zum Inhalt der Befragung: Wirecard hat seinen Hauptsitz in Aschheim bei München. Deshalb sind zum Beispiel folgende bayerische Einrichtungen & Behörden betroffen:

  • Staatsanwaltschaft München I führt Ermittlungen
  • Finanzamt München ist für die Betriebsprüfung zuständig
  • Bezirksregierung Niederbayern hat nach Auffassung der Bundesregierung die Geldwäsche-Aufsicht inne

Am 28. und 29. Januar 2021 waren daher u.a. folgende Personen im Untersuchungsausschuss geladen:

  • Beamter aus der Bezirksregierung Niederbayern (Geldwäsche-Aufsicht Wirecard AG)
  • Waldemar Kindler (Ex-Polizeipräsident Bayern, als Berater für Wirecard tätig)
  • Joachim Herrmann (Innenminister Bayern, zuständig für Bezirksregierung Niederbayern & polizeiliche Ermittlungen)
  • Florian Hermann (Staatskanzlei-Chef von Markus Söder, hat an Lobby-Treffen mit Wirecard-Verantwortlichen teilgenommen)
  • Hildegard Bäumler-Hösl (Oberstaatsanwältin)

Mein Eindruck: es ist kompliziert. Die Geldwäsche-Aufsicht in Niederbayern war dem Milliarden-Konzern personell überhaupt nicht gewachsen. Wir Grüne fordern schon seit Langem, die Geldwäsche-Aufsicht zentral auf Bundesebene zu bündeln und – ganz wichtig – zu professionalisieren. Richtig peinlich finde ich den Versuch der Staatsregierung, sich am Tag des Bekanntwerdens des Betrugs selbst für „nicht zuständig“ zu erklären. Da hätte es dringend eine Verantwortungsübernahme gebraucht. Stattdessen hagelte es Schuldzuweisungen in Richtung Bund und der Banken-Finanzaufsichtsbehörde Bafin. Die Frage bleibt allerdings offen, ob es weitere Fälle wie Wirecard gibt, die derzeit ohne jegliche Geldwäsche-Aufsicht ihr Unwesen treiben.

Der ehemalige Landespolizeipräsident Kindler war über fünf Jahre lang als Berater für Wirecard tätig. Für monatlich 3000€ hat er allerhand für Wirecard organisiert:

  • Termin bei Staatskanzleichef Herrmann
  • Termin im Landeskriminalamt
  • Termin im Finanzministerium
  • Tickets für die Münchner Sicherheitskonferenz
  • Besuch von Staatsministerin Dorothee Bär bei Wirecard
  • Beschaffung eines Waffenscheins für den Personenschützer von Wirecard-Chef Braun

Einfach peinlich, was sich der hochrangige Beamte und CSU-Mitglied hier geleistet hat. Ausgerechnet zum jüngsten Zeitraum hatte Herr Kindler kaum Erinnerungen: er konnte nicht beantworten, warum er den Beratervertrag im Frühling 2020 beendet hat.

Frau Bäumler-Hösl leitet die Ermittlungen gegen Wirecard und hat als Oberstaatsanwältin auch nicht zum ersten Mal mit dem Konzern zu tun. Bisher allerdings wurde meist gegen Hinweisgeber und sogenannte „Short Seller“ ermittelt, manche erhielten auch Geld- bzw. Freiheitsstrafen, weil man hinter den mittlerweile bestätigten Vorwürfen den Versuch sah, den Ruf von Wirecard gezielt zu schädigen und so den Aktienwert zu schwächen. Es bleibt abzuwarten, ob die Staatsanwältin zum letzten Mal im Europasaal des Paul-Löbe-Hauses im Bundestag zu Gast war.

Einige Fragen blieben offen, einige konnten geklärt werden. Ich bin gespannt auf die Beantwortung weiterer Anfragen, die ich zu den Ermittlungen aktuell eingereicht habe. Hoffentlich bringen einige der Antworten noch mehr Licht ins Dunkle.

Ich halte Sie auf dem Laufenden!

 

Copyright Beitragsbild: Deutscher Bundestag/Henning Schacht

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert