Schriftliche Anfrage: Ermittlungen im Zusammenhang mit der Deutschen Handelsbank

Am 06.07.2021 befragte ich die Staatsregierung bezüglich der Ermittlungen im Zusammenhang mit der Deutschen Handelsbank. Meine Fragen wurden am 09.08.2021 von dem Staatsministerium der Justiz beantwortet:

Ich frage die Staatsregierung:

1.1 In welchen Fällen führt die Staatsanwaltschaft Ermittlungen, die im Zusammenhang mit der Deutschen Handelsbank stehen (bitte angeben seit 2018 unter Angabe des jeweiligen Ermittlungsgrundes und der tatverdächtigen Person, falls bekannt)?

1.2 Auf Grundlage welcher Hinweise oder Verdachtsmomente wurden die jeweiligen Ermittlungen aus Frage 1.1 angestoßen?

Unter „Ermittlungen, die im Zusammenhang mit der Deutschen Handelsbank stehen“ werden Ermittlungsverfahren verstanden, die den Verdacht von Straftaten durch Verantwortliche oder Mitarbeiter der Deutschen Handelsbank AG zum Gegenstand haben. Nicht erfasst sind insoweit daher Fälle, in denen die Deutsche Handelsbank AG bei Straftaten Dritter (beispielsweise Betrug) nur kontoführendes Kreditinstitut war und aus Sicht der Staatsanwaltschaft keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für Straftaten von Verantwortlichen und Mitarbeitern der Deutschen Handelsbank AG bestanden.
Nach Auskunft der bayerischen Staatsanwaltschaften konnten dort mit den vorhandenen Recherchemöglichkeiten drei entsprechende Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft München I festgestellt werden. Dabei wurde insbesondere auf die zur Verfügung stehenden Suchfunktionen im Fachverfahren web.sta, das in Bayern und in acht weiteren Bundesländern bei den Staatsanwaltschaften verwendet wird, zurückgegriffen.
Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft München I wird dort auf Grundlage einer Strafanzeige einer Rechtsanwaltskanzlei vom 29. Juli 2021 und eines Anlegerschutzvereins vom 2. Dezember 2020 ein Ermittlungsverfahren gegen noch nicht näher bestimmte Verantwortliche oder Mitarbeiter der Deutschen Handelsbank AG wegen des Anfangsverdachts der Geldwäsche geführt.
Gegenstand eines weiteren Ermittlungsverfahrens ist nach Auskunft der Staatsanwaltschaft München I der Anfangsverdacht der Untreue gegen zwei ehemalige Vorstandsmitglieder, ein ehemaliges Aufsichtsratsmitglied und einen ehemaligen Projektverantwortlichen der Deutschen Handelsbank AG. Das Ermittlungsverfahren wurde aufgrund einer Strafanzeige einer Investmentgesellschaft vom 5. Februar 2021 eingeleitet.
Ein Ermittlungsverfahren, das bereits mit Verfügung vom 15. Februar 2021 abgeschlossen wurde, hatte nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft München I eine Strafanzeige eines ehemaligen Mitarbeiters der Deutschen Handelsbank AG gegen ein ehemaliges Vorstandsmitglied der Deutschen Handelsbank AG wegen übler Nachrede im Zusammenhang mit Äußerungen in einer Teambesprechung zum Gegenstand. Der Anzeigeerstatter wurde auf den Privatklageweg (§ 374 Strafprozessordnung – StPO) verwiesen.
Darüber hinaus befindet sich nach Auskunft der Staatsanwaltschaft München I dort seit 22. Juli 2021 ein Vorgang zur Prüfung der Übernahme, der die Strafanzeige eines Betrugsgeschädigten gegen zwei Vorstandsmitglieder der Deutschen Handelsbank AG und gegen Verantwortliche anderer Kreditinstitute wegen Geldwäsche betrifft. Die Strafanzeige war bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth eingegangen und von dort an die Staatsanwaltschaft München I zur Prüfung der Übernahme übersandt worden.

1.3 Wie viel Personal (Vollzeitäquivalente – VZÄ) ist jeweils im Zusammenhang mit diesen Ermittlungen im Einsatz (bitte einzeln angeben inkl. Angabe der jeweiligen Einsatzstelle des Personals)?

Bei den Staatsanwaltschaften sind mehrere Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, teilweise anlassbezogen (z. B. bei Durchsuchungsmaßnahmen), mit den bei der Antwort zu den Fragen 1.1 und 1.2 genannten Sachverhalten befasst. Die jeweiligen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sind auch mit anderen Vorgängen betraut. Eine statistische Erfassung, wie viele Arbeitskraftanteile auf einen bestimmten Sachverhalt verwendet werden, erfolgt bei den Staatsanwaltschaften nicht.

2.1 Mit welchen Behörden hat die Staatsanwaltschaft in den jeweiligen Fällen kooperiert (bitte einzeln angeben)?

Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft München I steht diese bei ihren Ermittlungen mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und dem Polizeipräsidium München in Kontakt.

2.2 Welche Ermittlungsmaßnahmen- und Schritte wurden in den Fällen aus 1.1 bisher jeweils ergriffen (bitte jeweilige Ergebnisse angeben)?

Nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft München I hat diese in den beiden dort aktuell anhängigen Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche und Untreue (vgl. Antwort zu den Fragen 1.1 und 1.2) beim Ermittlungsrichter des Amtsgerichts München Durchsuchungsbeschlüsse erwirkt und diese vollzogen. Bei den Ermittlungen wegen Untreue erfolgten die Durchsuchungen am 30. März 2021 und betrafen Wohnsitze der Beschuldigten. Bei den Ermittlungen wegen Geldwäsche fand am 7. April 2021 eine Durchsuchung der Geschäftsräume der Deutschen Handelsbank AG statt.
Die bei den Durchsuchungen sichergestellten Unterlagen und Daten werden derzeit ausgewertet.

2.3 Gegen wie viele Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber der Deutschen Handelsbank lagen Warnungen von europäischen Finanzbehörden vor (bitte einzeln angeben unter Angabe der jeweils warnenden Behörde und dem Zeitpunkt der jeweiligen Warnungen)?

Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft München I konnten dort im Hinblick auf jedenfalls sieben Inhaber von Konten bei der Deutschen Handelsbank AG Warnungen von europäischen Finanzaufsichtsbehörden festgestellt werden. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Fälle:

  • A. Limited: Warnung vom 7. Mai 2018,
  • F. Inc.: Warnung vom 15. Oktober 2019,
  • Plattformen xTr., OptionSt., S., Option8.: Warnungen aus den Jahren 2018 und 2019,
  • M. Limited: Warnungen aus den Jahren 2016 und 2017.

Weiter gehende Informationen hierzu können im Hinblick auf mögliche Verwendungsbeschränkungen für die ausländischen Informationen nicht erteilt werden.

3.1 In wie vielen Fällen wurden Bürgerinnen und Bürger vermutlich Opfer von Straftaten, die im Zusammenhang mit Kontoinhaberinnen und Kontoinhabern der Deutschen Handelsbank standen (bitte angeben mit dem jeweiligen Tatverdacht und, falls möglich, der geschätzten Schadenssumme)?

Statistische Daten liegen insoweit nicht vor. Die in den Fragen genannten Kriterien werden in dem Fachverfahren web.sta, das in Bayern und in acht weiteren Bundesländern bei den Staatsanwaltschaften verwendet wird, nicht gesondert erfasst.
Eine händische Auswertung sämtlicher Vorgänge bei den Staatsanwaltschaften, die Straftaten unter Verwendung von Konten bei der Deutschen Handelsbank AG betreffen könnten (Betrug u. a.), wäre auch mit Blick auf den zur Verfügung stehenden Zeitraum mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden gewesen.

3.2 Liegen der Staatsregierung Kenntnisse darüber vor, wie mit den „schwerwiegende[n] sogenannte[n] F4-Mängel[n]“ (Handelsblatt, 2. Juli 2021) der BaFin umgegangen wurde?

Die Staatsanwaltschaften meldeten hierzu keine Erkenntnisse. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft München I prüft diese im Rahmen ihrer Ermittlungen wegen Geldwäsche den Sachverhalt jedoch in alle Richtungen.

4.1 Wie hat die Staatsanwaltschaft München auf die Mängel, die durch den Bericht nach der Betriebsprüfung durch KPMG im Jahr 2018 entdeckt wurden, reagiert (Quelle: https://www.wiwo.de/my/unternehmen/banken/deutsche- handelsbank-warum-eine-kleine-bank-einen-unternehmerclan-millionen- kostete/27164308.html)?

Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft München I wurden dieser die in der Prüfung durch KPMG im Jahr 2018 entdeckten Mängel durch die in der Antwort zu den Fragen 1.1 und 1.2 genannte Strafanzeige einer Investmentgesellschaft vom 5. Februar 2021 bekannt. Im Hinblick auf die daraufhin veranlassten Ermittlungsmaßnahmen wird auf die Antwort zu Frage 2.2 Bezug genommen.

4.2 In welchen Fällen liegen Verbindungen zwischen den Ermittlungen im Wirecard-Komplex und den Ermittlungen zur Deutschen Handelsbank vor (bitte einzeln angeben)?

4.3 In wie vielen Fällen gibt es Kontoinhaberinnen oder Kontoinhaber, die sowohl bei der Wirecard Bank AG als auch der Deutschen Handelsbank Kundinnen bzw. Kunden waren (bitte angeben für alle Fälle, die ggf. gleichzeitig oder zu unterschiedlichen Zeitpunkten bei einer der beiden Banken ein Konto führen oder geführt haben; falls nötig: bitte Anzahl der jeweiligen Fälle ohne Nennung von Namen o. Ä. angeben)?

Statistische Daten dazu, in wie vielen Fällen ein Straftäter sowohl Konten bei der Wirecard Bank AG als auch bei der Deutschen Handelsbank AG verwendete, liegen bei den Staatsanwaltschaften nicht vor. Auf die Antwort zu Frage 3.1 wird ergänzend Bezug genommen.
Eine händische Auswertung sämtlicher Vorgänge wäre auch mit Blick auf den zur Verfügung stehenden Zeitraum mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden gewesen.
Nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft München I sind dort einzelne Fälle bekannt, in welchen der oder die Täter von Betrugstaten Konten sowohl bei der Wirecard Bank AG als auch bei der Deutschen Handelsbank AG unterhielten. Insoweit erstrecken sich die Ermittlungen auf Kontoverbindungen bei beiden Kreditinstituten.

5. In welchen Fällen gab es Kontakte zwischen der anwaltlichen Vertretung von Angehörigen der Deutschen Handelsbank und Vertreterinnen und Vertretern der Staatsanwaltschaft München I (bitte einzeln angeben unter Angabe von Datum, Art des Austauschs und Teilnehmerinnen/Teilnehmern)?

Nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft München I waren in dem dort laufenden Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche (vgl. Antwort zu den Fragen 1.1 und 1.2) bei der Durchsuchung am 7. April 2021 zwei anwaltliche Vertreter der Deutschen Handelsbank AG vor Ort. Am 12. Mai 2021, 1. Juli 2021 und 14. Juli 2021 haben Telefonate zwischen einem anwaltlichen Vertreter und der sachbearbeitenden Staatsanwältin insbesondere im Hinblick auf Fragen der Einsicht in Akten und in sichergestellte Beweismittel, den Ermittlungsstand und die Kooperationsbereitschaft der Deutschen Handelsbank AG stattgefunden.
Im Rahmen des bei der Antwort zu den Fragen 1.1 und 1.2 genannten Ermittlungsverfahrens wegen Untreue nahmen nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft München I die Verteidiger der Beschuldigten unmittelbar nach der Durchsuchung vom 30. März 2021 telefonischen Kontakt zur sachbearbeitenden Staatsanwältin auf. Gegenstand der Gespräche war der Zeitpunkt der Herausgabe von sichergestellten Mobiltelefonen und Laptops und in einem Gespräch die Erörterung der Rechtslage.