Anfrage: Cum-Ermittlungen in Bayern

Ich frage die Staatsregierung:

Wie viele Personalstellen sind jeweils in den Staatsministerien der Justiz-, des Innern, für Sport und Integration sowie der Finanzen und für Heimat und den nachgelagerten Behörden (insbesondere Landeskriminalamt, Landesamt für Steuern) für die Aufarbeitung der bekannten und der Aufdeckung noch unbekannter Fälle der „CumEx“-, „CumCum“- und „CumFake“-Geschäfte
eingeplant (bitte angeben seit 2016 und nach Art des Personals), in wie vielen Fällen werden derzeit Ermittlungen durchgeführt (bitte pro Fall den aktuellen Bearbeitungsstand angeben) und, falls bereits Strafbescheide verschickt wurden, in welcher Höhe liegen die Rückforderungen jeweils?

Antwort des Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat:

Die bayerische Finanzverwaltung hat zur Aufarbeitung von Cum/Ex- undCum/Cum-Gestaltungen mehrere Spezialeinheiten geschaffen. Zu den Personalstellen, zum derzeitigen steuerlichen bzw. steuerstrafrechtlichen Stand der Ermittlungen und zur Höhe der bisherigen Rückforderungen wird Folgendes mitgeteilt:

1. Personalstellen
1.1. Personalstellen im Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat:

Cum/Ex-Gestaltungen

  • Bereits 2013 wurde eine Ermittlungsgruppe der Steuerfahndung München eingerichtet, die derzeit aus zwölf auf dem Gebiet der Cum/Ex-Ermittlungen spezialisierten Steuerfahndungsprüfern sowie einem Sachgebietsleiter und einem Hauptsachgebietsleiter besteht.
  • 2015 wurde zudem eine Task Force am Finanzamt München – Abteilung Betriebsprüfung – eingerichtet. Sie besteht aus 8 Betriebsprüfern, einem Sachgebietsleiter als unmittelbarem Leiter der Task Force sowie dem zuständigen Hauptsachgebietsleiter Betriebsprüfung.
  • Diese Spezialeinheiten arbeiten mit anderen Stellen in der Finanzverwaltung eng zusammen, wie z. B. mit der Sondereinheit Zentrale Steueraufsicht (SZS) oder mit der Sonderkommission schwerer Steuerbetrug (SKS).

Cum/Cum-Gestaltungen

  • Die Aufarbeitung von Cum/Cum-Transaktionen eignet sich nicht für eine vollständige Zentralisierung in der Finanzverwaltung. Vielmehr müssen diese Geschäfte im Rahmen laufender Betriebsprüfungen bzw. Veranlagungen durch die jeweiligen Finanzämter anhand ergangener Verwaltungsanweisungen geprüft werden.
  • Im Landesamt für Steuern wurde zum 01.10.2018 eine Zentralstelle für Cum/Cum-Geschäfte geschaffen, um die bayerischen Finanzämter bei der Aufarbeitung derartiger Transaktionen rechtlich und fachlich zu unterstützen. Die Stelle wurde mit zwei ehemaligen Betriebsprüferinnen und einer fachlich erfahrenen Referatsleiterin besetzt.
  • Neben der Zentralstelle sind im Landesamt für Steuern mit der Aufarbeitung der Cum/Ex- und Cum/Cum-Fälle weitere drei Sachbearbeiter, zwei Referenten und zwei Referatsleiter thematisch befasst.
  • Im Staatsministerium der Finanzen und für Heimat sind mit der Thematik der Cum/Ex- und Cum/Cum-Fälle ein Sachbearbeiter, ein Referent und ein Referatsleiter befasst.

1.2. Personalstellen im Geschäftsbereich anderer Ressorts:

  • Nach Mitteilung des Staatsministeriums der Justiz werden bei der Staatsanwaltschaft München I Verfahren in den Referaten von zwei Staatsanwälten als Gruppenleitern geführt. In den Referaten werden daneben noch weitere Verfahren bearbeitet, wobei die Cum/Ex-Verfahren teilweise (je nach Verfahrensstand) nahezu den gesamten Arbeitskraftanteil der Staatsanwälte in Anspruch nehmen. Nach Mitteilung der Generalstaatsanwälte in München, Nürnberg und Bamberg werden bei den übrigen Staatsanwaltschaften in Bayern derzeit keine der Anfrage unterfallenden Verfahren geführt.
  • Nach Mitteilung des Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration sind im Landeskriminalamt derzeit keine speziellen Personalstellen für die Aufarbeitung der bekannten und der Aufdeckung noch unbekannter Fälle der Cum/Ex-, Cum/Cum- und „Cum/Fake“-Gestaltungen vorgesehen. Soweit im Einzelfall eine polizeiliche Mitwirkung durch das Landeskriminalamt erforderlich würde, wäre dort das für Wirtschaftskriminalität zuständige Dezernat mit den Ermittlungsmaßnahmen zu betrauen.

2. Ermittlungen und Sachstand
2.1. Ermittlungen und Sachstand im Bereich der Steuerverwaltung
Cum/Ex-Gestaltungen

Die bayerische Steuerverwaltung bearbeitete bisher insgesamt 30 Steuerfälle, bei denen es Anhaltspunkte für Cum/Ex-Gestaltungen gab: Davon wurden zwei Fälle abgeschlossen. Vier Fälle befinden sich derzeit steuerlich im Rechtsbehelfsverfahren. Bei sieben Fällen hat sich ein Anfangsverdacht nach Sichtung durch die Steuerfahndung München nicht bestätigt. 13 Fälle befinden sich weiter in Prüfung. Drei Fälle wurden zuständigkeitshalber nach Hessen abgegeben. In einem Fall hat die Betriebsprüfung ihren Bericht erstellt.

Daneben werden derzeit bei der Steuerfahndung München 65 steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen natürliche Personen geführt. Diese strafrechtlichen Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Die Ermittlungen betreffen derzeit sechs Steuersubjekte (juristische Personen); in diesen Fällen wurden auch Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet.

Cum-Fake-Gestaltungen

Bei den in der Anfrage so bezeichneten „Cum-Fake“-Geschäften handelt es sich richtigerweise um Geschäfte mit sogenannten ADRs (American Depositary Receipts). „CumFake“ ist kein wissenschaftlich hinterlegter Begriff. Auch vor dem Hintergrund, dass nach derzeitigem Erkenntnisstand des Landesamts für Steuern keine Hinterlegungsbank (Depositary Bank) in Bayern ansässig ist, sind bisher ADR-Fälle in Bayern nicht anhängig.

Ungeachtet dessen sind alle oben genannten Stellen und Personen in dieser Thematik sensibilisiert und tauschen sich dazu regelmäßig aus. Bei Ermittlungsmaßnahmen in den sogenannten Cum-/Ex-Fällen liegt seit Bekanntwerden der Gestaltungen mit ADRs ein verstärktes Augenmerk auch auf diesen.

Cum/Cum-Gestaltungen

Die bayerische Steuerverwaltung bearbeitet derzeit insgesamt neun Fälle, bei denen sich der Verdacht auf Cum/Cum-Gestaltungen erhärtet hat. Hiervon ist ein Fall rechtskräftig abgeschlossen, die anderen acht Fälle befinden sich derzeit im Rechtsbehelfsverfahren.

2.2. Ermittlungen und Sachstand im Bereich der Staatsanwaltschaft
Nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft München I werden dort zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwei Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehungstaten im Zusammenhang mit Cum/Ex-Aktiengeschäften geführt. In einem der Verfahren dauern die Ermittlungen an. In dem weiteren Ermittlungsverfahren wurden in Bezug auf drei Beschuldigte Einstellungen gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO)verfügt, weil kein Tatnachweis geführt werden konnte. In Richtung auf einen weiteren Beschuldigten erfolgte eine Einstellung gemäß § 153a Abs. 1 StPO gegen eine Geldauflage in Höhe von 100.000 Euro, weil der Beschuldigte umfangreich mit den Ermittlungsbehörden kooperiert, wesentlich zur Erhellung der Strukturen beigetragen und die interne Aufarbeitung innerhalb der Bank maßgeblich veranlasst hatte. Hinsichtlich der betroffenen Bank wurde durch die Staatsanwaltschaft München I ein Geldbetrag in Höhe von 5 Mio. Euro abgeschöpft. Denn diese hatte sich durch die unterlassene Aufklärung der Vorgänge Aufwendungen erspart; diese Vermögensvorteile waren abzuschöpfen. Im Übrigen dauern auch in diesem Verfahren die Ermittlungen an.
Daneben wird bei der Staatsanwaltschaft München I ein Vorgang zur Prüfung einer möglichen Einleitung von Ermittlungsverfahren bei Cum/Cum-Sachverhalten geführt. Bislang
hat sich nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft kein Anfangsverdacht für konkrete Straftaten ergeben.
Hinsichtlich möglicher Cum/Fake-Geschäfte sind der Staatsanwaltschaft München I zurzeit keine Fälle bekannt, die Geschäfte mit sog. ADR (American Depositary Receipts; in den Medien zum Teil als „Phantomaktien“ bezeichnet) in ihrem Zuständigkeitsbereich betreffen. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand erscheinen sie aus Sicht der Staatsanwaltschaft auch unwahrscheinlich, weil die vier Hinterlegungsbanken, die hierfür eingesetzt werden, ihren Sitz nicht in Bayern haben.

3. Höhe der Rückforderungen
Da es „Strafbescheide“ weder in Steuersachen noch in Steuerstrafsachen gibt, wird davon ausgegangen, dass die Fragestellung darauf abzielt, in welcher Höhe Steuern im Zusammenhang mit Cum-Gestaltungen von bayerischen Finanzämtern zurückgefordert bzw. nicht ausgezahlt wurden.

Cum/Ex-Gestaltungen
Bisher wurden Steuerbeträge aus Cum/Ex-Gestaltungen in Höhe von rund 170 Mio. Euro zurückgefordert bzw. nicht ausgezahlt.

Cum/Cum-Gestaltungen
Aus Cum/Cum-Gestaltungen wurden bisher Steuern in Höhe von rund 35 Mio. Euro zurückgefordert bzw. nicht ausgezahlt.